Der Jahrtausendsturz – 50 Jahre Ausgrabungen von Ban Chiang

Wir schreiben das Jahr 1966. Steve Young, Sohn des ehemaligen Botschafters der USA in Thailand besucht das kleine Dorf Ban Chiang im Nordosten des Landes. Ziel seines Aufenthaltes ist es Interviews für eine anthropologische Forschungsarbeit an der Harvard Universität mit den Dorfbewohnern durchzuführen. Die Wahl Ban Chiangs – reiner Zufall. Ein jesuitischer Pfarrer hatte ihm diesen Ort empfohlen, weil er dort ein aufgeschlossenes Ehepaar kannte, das gerade ein neues Haus mit einem leerstehendem Raum gebaut hatte.

Eines Tages auf einem Rundgang durch das Dorf, gedankenverloren mit seinem Gastgeber plaudernd, unterläuft Steve Young ein folgenschweres, ein historisches Missgeschick. Er stolpert über die Wurzeln eines Kapokbaumes und landet mit seinem Gesicht im Dreck. Als er seine Augen öffnet, sich etwas Dreck aus dem Gesicht gewischt hat, entdeckt er direkt unter sich das Muster einer Tonscherbe. Plötzlich, für einen winzigen Augenblick, scheint die Zeit stehen zu bleiben. Wie in Zeitlupe analysiert er die Szenerie. Er erkennt, dass die Scherbe keine Lackierung aufweist, was auf ein hohes Alter des Fundes schließen lässt. Gleichzeitig entdeckt er vor seinen Augen viele Unebenheiten im feuchten Boden, die möglicherweise ebenso Fundstücke aus einer früheren Epoche verbergen könnten. Schließlich fällt sein Blick auf eine Gruppe von Kindern, die etwa zehn Meter von ihm entfernt spielen, sie brechen etwas ab, möglicherweise von einem Stein und werfen es gegen eine Mauer. Beim Näherkommen sieht er, dass auch die Kinder Überreste von Keramiken gefunden haben.

Steve Young entscheidet sich einige Stücke mit zurück nach Bangkok zu nehmen und von Experten untersuchen zu lassen. Der Rest ist Geschichte. Die Objekte werden als eminent wertvoll eingeschätzt und führen zu wiederholten umfangreichen archäologischen Ausgrabungen in Ban Chiang, bei denen unzählige Objekte der frühen Bronzezeit entdeckt werden, die bahnbrechende Erkenntnisse über frühe Zivilisationen Südostasien hervorbringen. In der Folge kommt es auch zu wilden Ausgrabungen und Plünderungen, bei denen viele einzigartige Objekte für immer verloren gehen. Später wird inmitten des Dorfes ein Museum errichtet, in welchem viele Objekte ausgestellt und die einzigartige Geschichte der Entdeckung dieses Ortes erzählt wird. Schließlich – im Jahr 1992 – wird Ban Chiang zum UNESCO Welt Kulturerbe erklärt. Der Ort wird zu einem Symbol der Frühgeschichte und zu einem Mythos der Archäologie in Thailand.

Im Mai 2016, 50 Jahre nach seiner folgenschweren Entdeckung, steht Steve Young auf der Bühne eines großen Konferenzraumes in einem Hotel in Udon Thani. Er ist der Ehrengast einer internationalen Konferenz zum 50. Jubiläum der Funde von Ban Chiang. Mithilfe einiger historischer Fotos erläutert Young, wie er seinerzeit durch eine Unachtsamkeit ein Tor durch die Zeit und den Zugang zu einer längst vergangenen Zivilisation entdeckte. Zwar ist einige Fantasie von Nöten, um in dem ergrauten Herrn auf der Bühne den stattlichen jungen Mann auf den Fotos wiederzuerkennen, doch ein Blick in seine Augen zeigt die Bedeutung, die dieser Tag und diese Episode seines Lebens für ihn besitzen. In seiner Stimme schwingen Demut und Stolz zugleich mit, während er von seinem Jahrtausendfund berichtet.

Am letzten Tag der Konferenz machen sich drei Busse gespickt mit Archäologen und Historikern aus aller Welt auf den Weg nach Ban Chiang, um den Ort des Geschehens sowie das Museum zu besuchen. Unter den Archäologen befinden sich einige Wissenschaftler, die selbst bei den unterschiedlichen Ausgrabungen mit beteiligt waren. Hierbei kommt es eindrucksvollen Überlappungen von Gegenwart und Vergangenheit. So steht der inzwischen emeritierte Professor Michael Pietrusewsky vor einem Bild aus dem Jahr 1972, auf dem er als junger Wissenschaftler zu sehen ist, während er in einer archäologischen Ausgrabungsstätte kniend, Schicht um Schicht der Geschichte ihre Geheimnisse entlockt.

Am Ende des Tages, kurz vor dem abschließenden Festessen, führt Steve Young die Delegation zu dem Ort, an dem alles begann. Selbstverständlich hat sich dort in den letzten 50 Jahren einiges verändert. Reisfelder sind Häusern, Matschwege Straßen aus Beton gewichen und auch „der Baum“ steht nicht mehr an der selbigen Stelle. Die beiden Dorfbewohner, die Young seinerzeit in ihrem Haus aufnahmen, leben hingegen noch in der Gegend und haben sich mit Young noch einmal hier versammelt. Offensichtlich gerührt von dieser Begegnung berichten die drei, wie schon so oft in ihrem Leben und wahrlich nicht zum letzten Mal, wie das damals war, mit dem Baum, dem Sturz und den prähistorischen Scherben.

Es ist ein recht pathetischer, wenn auch rührseliger Moment, als Steve Young, auf Wunsch der Gruppe, die damalige Situation nachspielt und sich noch einmal in den nicht mehr vorhandenen Matsch wirft. Es ist die Szene, die sein Leben nachdrücklich verändert und die eine ganze Region nachhaltig geprägt hat. Der historische Sturz des Steven Young.

Tour in den Norden II

Der zweite Teil meiner kleinen Reise in den Norden Thailands, die zum Ziel hatte die unterschiedliche Darstellung des Zeiten Weltkriegs in den verschiedenen Museen unter die Lupe zu nehmen, begann früh morgendlich am Busbahnhof von Chiang Mai.

Nachdem ich Tags zuvor bereits das sehr eindrucksvolle Seri Thai Museum in Prae besichtigt hatte, sollte es nun in das kleine Bergdorf Khun Yuam gehen. Dieses liegt ganz im Nordwesten des Landes, unweit der Grenze zu Myanmar. In dieser Region waren während des Zweiten Weltkriegs viele Japanische Soldaten stationiert. Khun Yuam fungierte als eine Art Ausgangsbasis für die Expeditionen nach Burma. Anders als in vielen Regionen des Landes wurden die Japaner hier von der einheimischen Bevölkerung jedoch nicht als Feinde oder Eindringlinge wahrgenommen. Die vorher teilweise marginalisierte Bevölkerung war den Japanern gegenüber deutlich aufgeschlossener als anderorts. Es entwickelten sich profitable Handelsbeziehungen, Freundschaften und in einigen Fällen sogar Liebesbeziehungen zwischen Thailändern und Japanern. Das Thai-Japanese-Friendship-Memorial Museum schildert die Erfahrungen dieser Menschen, zeigt auf diese Weise eine ganz andere Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg und hatte daher mein Interesse auf sich gezogen.

Obwohl Chiang Mai nur etwa 300 Kilometer von Khun Yuam entfernt liegt, ist die Reise zwischen diesen beiden Orten äußerst umständlich, versperren doch etliche hohe Berge die Passage. Lediglich eine Buslinie macht sich dreimal am Tag auf diese beschwerliche Reise. Ich wusste vorher, dass diese Ochsentour sieben Stunden dauern sollte. Ich wusste allerdings nicht, dass hierbei Busse eingesetzt werden, die ungefähr in dem Jahr gebaut wurden als Christopher Columbus Amerika entdeckte. Ein uralter, vom Rost zerfressener Haufen Altmetall, sollte mich und die anderen etwa vierzig Reisenden sicher ans Ziel bringen. Das konnte nicht gut gehen. Ging es schlussendlich auch nicht. Aber immer der Reihe nach.

Zunächst machte sich der Schrotthaufen in vollem Tempo, als wolle er meiner Skepsis ein Schnippchen schlagen, eifrig ans Werk und auf die Reise. Zügig ging es aus der Stadt heraus und hinein ins Gebirge. In Ermangelung einer Klimaanlage oder funktionierender Ventilatoren waren während der Fahrt fortwährend beide Türen geöffnet. Dies förderte zwar frische Luft ins Wageninnere, erschien mir aber angesichts der unruhigen Fahrweise des Busses etwas riskant. Überhaupt schien der Bus mit den vielen Serpentinen und den steilen Hängen seine liebe Not zu haben. Er fauchte und ächzte, stöhnte und spuckte was das Zeug hielt. Angesichts des Geräusches des Motors hätte man bei geschlossenen Augen denken können der Wagen führe in affenartiger Geschwindigkeit die Berge hinauf. Bei offenen Augen sah man aber, dass der Bus trotz des schrecklichen Getöses keine zwanzig Stundekilometer mehr auf die Piste brachte. Zu allem Unglück entwickelte das Gefährt plötzlich die Angewohnheit alle fünf Minuten stehen zu bleiben. Das waren keine all zu guten Vorzeichen, waren wir doch gerade mal zwei Stunden unterwegs.

Nachdem sich der Bus noch eine weitere Stunde lang in Schrittgeschwindigkeit die steilen Hänge hoch gemüht hatte, kam er an einer kleinen Lichtung endgültig zum stehen. Der sichtlich zerknirschte und beschämte Busfahrer erklärte nach einem kurzen Blick auf den Motor, dass dieser Bus nicht weiterfahren könne. Wir sollten auf den nächsten Bus warten, der in etwa zwei Stunden diese Stelle passieren müsse. Diese Nachricht schockierte mich nicht sonderlich. Es war schon vorher abzusehen, dass diese Schrottkiste die etwa 150 Kilometer bis nach Khun Yuam nicht mehr würde bewältigen können. Ich war zudem froh ein wenig an die frische Luft zu kommen und begann die Landschaft zu erkunden. Die Lichtung an welcher der Bus endgültig seinen Dienst eingestellt hatte, bestand nicht wie die Wälder weiter bergab aus tropischem Regenwald. Vielmehr erblickten meine ungläubigen Augen, dass sich hier etliche Tannen aneinander reihten, vor denen einige duzend Kühe friedlich auf einer saftig grünen Wiese grasten. Ich wähnte mich eher im Schwarzwald als in Thailand. Dass dies doch nicht der Schwarzwald war erkannte ich, als mir auf einer kleinen Erkundungstour eine etwa handgroße, giftig  bunt glitzernde Riesenspinne begegnete. Ich zog mich vorsichtig zurück und war von nun an weniger erkundungslustig.

Als der nachfolgende Bus endlich eintraf entpuppte sich dieser äußerlich als etwas robuster und rüstiger als sein Vorgänger. Unglücklicherweise war er jedoch bereits vollkommen mit Passagieren vollgestopft. Die kommenden drei Stunden verbrachte ich stehend, in leicht gekrümmter Haltung, einzig damit beschäftigt die ständigen Richtungswechsel des Busses mit meinem Körpergewicht auszugleichen, um nicht auf die vor mir platzierten Thais zu stürzen. Meine Hände füllten sich mit der Zeit ganz taub an, so fest krallte ich mich an die Haltegriffe. Meine Knie wiederum begannen ob der unnatürlichen Haltung die ich ihnen zumutete einen stechenden Schmerz an mein Gehirn zu senden mit der klaren Botschaft: Mach etwas oder wir platzen! Nach einiger Zeit lehrte sich der Bus ein bisschen und ich konnte den Rest der Fahrt sitzend verbringen.

Etwa gegen halb fünf war die Tortour überstanden und der Bus endlich in Khun Yuam angekommen. Zeit meine Wunden zu lecken bestand kaum, hatte das Museum laut meiner Informationen doch nur noch eine halbe Stunde geöffnet. Ich machte mich also umgehend zu dem Museumsgelände auf. Als ich dort angekommen war, hatte ich zunächst Zweifel am richtigen Ort zu sein. Das eindrucksvoll große und neu glänzende Museumsgebäude stimmte nicht mit den Bildern überein, die ich vorher mühsam im Internet zusammengesucht hatte. Es stellte sich heraus, dass das alte Museum, welches sich auf demselben Gelände befunden hatte, geschlossen und durch ein komplett neues Museum ersetzt worden war. Das ursprüngliche Museum war von einem Einheimischen eröffnet und von dem japanischen Staat reichlich und nicht ganz uneigennützig gefördert worden. Soweit ich gehört und gelesen hatte, wurde hier früher eine Version des Zweiten Weltkriegs präsentiert, in welcher die Japaner durchweg in einem positiven Licht dargestellt wurden, als Befreier ihrer asiatischen Brüder und Schwestern.

Das neue Museum, das vom thailändischen Fine Arts Department getragen wird, verfügt nicht nur über ein ästhetisch sehr ansprechendes Design, sondern präsentiert auch eine deutlich ausgewogenere Sicht der Dinge. So werden die Umstände der japanischen Expansion nüchtern und umfassend erläutert, ohne in die revisionistischen Töne des Vorgängers zu verfallen. Gleichzeitig finden aber auch die Erinnerungen der Dorfbewohner und ihre positiven Erfahrungen mit den Japanern genug Beachtung. Einige Beispiele des positiven Zusammenlebens werden hervorgehoben und besonders detailliert beschrieben. Besonders der Film, der in einem extra Raum gezeigt wird, geht auf die Erinnerungen der Bewohner Khun Yuams ein. Hier werden Ausschnitte aus Interviews mit Zeitzeugen gezeigt, unter ihnen auch eine Dame, die sich in einen der japanischen Soldaten verliebte und von diesem zwei Söhne bekam.

Von den Reisestrapazen mittlerweile völlig erschöpft, suchte ich mir bald nach dem Museumsbesuch ein kleines schnuckeliges Hotel. Es war in einem alten Holzhaus untergebracht und lag direkt am Hang. Die Sicht auf die umliegenden Berge war großartig.

Am nächsten Tag besichtigte ich den Tempel Wat Muay Tor, auf dessen Gelände sich während des Zweiten Weltkriegs ein Krankenhaus für die verletzten japanischen Soldaten befunden hatte. Es fanden sich hier ein paar Gräber mit japanischen Inschriften, sowie ein erst im letzten Jahr errichtetes Denkmal, dass an die verstorbenen japanischen Soldaten erinnert und die Unterstützung durch die Dorfbewohner hervorhebt.

Um fünf Uhr Nachmittags bestieg ich den Bus, der mich in einer Fahrt von fünfzehn Stunden wieder nach Bangkok bringen sollte. Es war ein nagelneuer Dopperldecker, dessen Luxuseinrichtung einen krassen Gegensatz zum Gefährt des Vortags darstellte. Doch auch dieser Luxusschlitten hatte mit dem unwegsamen Gelände so seine Probleme. Eine extrem heftige Steigung machte ihm besonders zu schaffen. Nachdem er an dieser zwei Mal gescheitert war, stieg der Busbegleiter aus und bugsierte zwei riesige Steine hinter die Hinterräder des Busses. Mit dieser kleinen Starthilfe erklomm der Bus schließlich die Rampe. Der Busfahrer wollte wohl kein weiteres Risiko eingehen und fuhr bis zum Berggipfel in einer Tour durch, ohne auf den Reisebegleiter zu warten. Ich konnte aus dem Fenster sehen, wie dieser einige Kehren unter dem Bus einen Spurt einlegte. Es sah recht lustig aus, wie er sich in seiner samtigen Uniform mit hochrotem Kopf den Berg hinaufquälte. Mit diesem Bild im Kopf schlief ich ein und wurde im Massagesessel gemächlich nach Bangkok kutschiert.

Tour in den Norden I

Wie an anderer Stelle bereits beschrieben wurde, unternahm ich im Auftrag meiner Masterarbeit ein paar Reisen in unterschiedliche Landesteile, um der differenzierten Erinnerungskultur Thailands bezüglich des Zweiten Weltkriegs auf die Schliche zu kommen.

Die längste Reise dieser Art führte mich in den Norden, genauer gesagt in die Orte Phrae und Khun Yuam, wo mich ganz unterschiedliche Versionen der Ereignisse erwarten sollten. Die Unternehmung begann am Busbahnhof Mo Chit, wo ich am Abend den Bus nach Prae bestieg. Die Fahrt war in jeder Hinsicht hervorragend. Ich schlummerte in einem übergroßen und sehr bequemen Liegesessel, der kurioserweise bei Bedarf sogar meinen Rücken massierte, gemächlich meinem ersten Reiseziel entgegen.

In Prae galt mein besonderes Interesse einem Museum über die dortige Seri Thai Bewegung. Dies war eine thailändische Widerstandsgruppe während des Zweiten Weltkriegs, die sich gegen die japanische Besetzung des Landes und die mit den Japanern paktierende Regierung Thailands stellte. Sie infiltrierte, spionierte und sabotierte die Japaner wo sie nur konnte und stand in enger Verbindung mit den westlichen Alliierten. Viele Mitglieder der Untergrundbewegung wurden nach dem Krieg, als Thailand für einige Jahrzehnte unter die autokratische Kontrolle des Militärs geriet, verurteilt und verhaftet. Die Erinnerung an diese Bewegung wurde zeitgleich aus dem offiziellen Gedächtnis verbannt und findet erst langsam wieder ihren Weg zurück in das öffentliche Bewusstsein. Nicht unschuldig an dieser Entwicklung soll auch das Museum in Prae sein, weshalb ich umso gespannter war es zu besichtigen.

Da das Museum seine Pforten erst um acht Uhr öffnet, ich aufgrund meines Überschallbusses aber schon um sechs Uhr morgens angekommen war, hatte ich noch ein wenig Zeit die Stadt zu erkunden. Ich schlurfte durch das gerade erwachende Phrae und war von dessen Schönheit reichlich beeindruckt. Es mag an meinem dämmrigen Zustand gelegen haben, aber es wirkte für mich, als reihten sich hier ausschließlich wunderschöne bis zauberhafte Teakholzhäuser aneinander, eines schöner als das andere.

Eines dieser Häuser, das leider in keinem ganz so guten Zustand war wie seine Nachbarn, erwies sich als für mein Thema hochinteressant. In dem so genannten Wichairacha Haus hatte sich eine Tragödie abgespielt, die typisch ist für die jahrzehntelange Verdrängung der Geschichte der Seri Thai Bewegung. Sein Ursprünglicher Besitzer Chao Wong Saensiriphan hatte im Jahr 1940 für einige Wochen einen sehr berühmten Gast, den damaligen Finanzminister und späteren Kopf und Lenker der Seri Thai Bewegung Pridi Banomyong. Dieser verbrachte einige Zeit in Prae um die Dreharbeiten zu seinem Film „The King of the White Elphant“ zu begleiten. Mit dem Film und dem gleichnamigen Buch wollte Pridi ein Zeichen setzen. In den unsicheren Zeiten des beginnenden Weltkriegs sollten sich seine Landsleute und vor allem deren Entscheidungsträger, an die Besonnenheit und Weisheit früherer Könige erinnern und in den kommenden Konflikten Ruhe und Neutralität bewahren.

Wie der Verlauf der Geschichte zeigte, konnte Pridi mit seiner Botschaft nicht alle Thailänder überzeugen. Der damalige Ministerpräsident Phibul Songgram, ein außerordentlicher Bewunderer Mussolinis und Verfechter eines thailändischen Ultranationalismus, wähnte in der Allianz mit Japan eine günstige Gelegenheit seine Träume eines „Großthailands“ zu verwirklichen. Nach dem Krieg und einem Militärputsch im Jahr 1946 gerieten Pridi und seine Unterstützer in Ungnade. Auch der Besitzer des Wichairacha Hauses musste Repressalien der Militärführung über sich ergehen lassen. In der Folge verlor er all sein Hab und Gut und das ehemalig prachtvolle Teakholzhaus verfiel und verwilderte mit der Zeit.

Von dieser tragischen Geschichte betrübt machte ich mich Richtung des Seri Thai Museums auf. Dieses wird von dem Sohn eines engen vertrauten Pridis und Anführers der lokalen Seri Thai Einheiten betrieben. Das Museum schildert die Geschichte der Seri Thai Bewegung und konzentriert sich vor allem auf die Aktivitäten der Truppe im Norden Thailands. Hierbei werden auch verschiedene Einzelschicksale vorgestellt. Unter anderem wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der sich in ein japanisches Lager, als Arbeiter getarnt, einschlich und Informationen über die japanische Armee nach draußen schmuggelte.
Ein anderes Beispiel schildert die beschwerliche Reise eines Boten, der wichtige Informationen von Prae nach Bangkok transportierte und den größten Teil der Wegstrecke, immer die Angst im Nacken von den Japanern entdeckt zu werden, auf einem alten Fahrrad hinter sich brachte. Trotz der Fokussierung auf die Untergrundbewegung bleibt die Darstellung des Museums weitestgehend ausgeglichen und bietet verschiedene Perspektiven auf die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs an.

Nach der Besichtigung des Museums bekam ich glücklicherweise die Gelegenheit mit dem Betreiber des Museums zu sprechen. Dieser berichtete mir, dass inzwischen Schüler und Studentengruppen aus dem ganzen Land in sein Museum kämen und die Aufmerksamkeit für die Geschichte der Seri Thai Bewegung spürbar zunehme. Dennoch sei es nicht selten der Fall, dass die Besucher ohne jedes Vorwissen über die Seri Thai Bewegung und seine Protagonisten das Museum betreten.

Nach der Besichtigung des Museums machte ich mich in Richtung des Busbahnhofs auf, wo mich ein etwas in die Jahre gekommener aber ganz passabeler Bus erwartete, der mich in das etwa fünf Stunden entfernte Chiang Mai bringen sollte. Die Fahrt erwies sich als unangenehmer und anstrengender als gedacht. Der Bus ächzte und stöhnte ob der unzähligen Serpentinen der nordthailändischen Berge und schüttelte seine Insassen ordentlich durch. Dementsprechend derangiert erreichte ich dann gegen Nachmittag die Rose des Nordens, Chiang Mai. Hier war kein weiterer Museumsbesuch geplant. Dieser Aufenthalt sollte lediglich dazu dienen die von den Strapazen der Reise ein wenig müden Knochen zu schonen und für die anschließende Reise nach Khun Yuam vorzubereiten.

Die Stadt Chiang Mai hatte ich bereits zwei Jahre zuvor kurz besichtigt. Es ist nach Bangkok die zweitgrößte Metropole Thailands und verfügt über ein etwas kühleres Klima, da sie von hohen Bergen umgeben liegt. Mir ist die Stadt ein wenig zu sehr von den westlichen Touristen und der auf sie zugeschnittenen Geschäfte und Systemgastronomie geprägt. Eine schmerzhafte und wirklich bittere Erkenntnis war es für mich zudem festzustellen, dass mein romantisches Bild dieser Stadt, welches mir das ARD Traumhotel vorgegaukelt hatte, ein einziges Lügenkonstrukt ist. In dieser fürchterlichen Schmonzette flanieren die bräsigen „Schauspieler“ und D-Promis durch die Straßen von Chiang Mai, sagen dabei so geistreiche Sätze wie „mai pet, mai aroi  (nicht scharf, nicht lecker) und ruhen sich anschließend vom vielen Bummeln an einem wunderschönen Strand aus. Und das obwohl Chiang Mai fast 700 Kilometer von der Küste entfernt liegt. Danke liebe ARD für diesen Quatsch!

Ich wusste also, dass ich den Strand vergeblich suchen würde und entschied mich stattdessen den Night-Bazar zu besuchen, wo ich mir von den unterschiedlichen Ständen das Abendessen zusammenklaubte. Ich entschied mich für etwas Klebreis, einen scharfen Huhnminzkoriandersalat und zwei der köstlichen nordthailändischen Würste. Diese sind, anders als die Würste auf den Märkten Bangkoks, nicht so sauer und weich, sondern haben genau die richtige Konsistenz und schmecken nach Thaibasilikum und Ingwer. Köstlich.

Nach diesem reichhaltigem Mal und zwei Leo Bier kehrte ich zurück zu meinem mittelmäßigen Hotel und ging früh schlafen. Der Bus nach Khun Yuam sollte morgens um sechs losfahren und die Fahrt durch die Berge wurde mir als etwas anstrengend beschrieben. Ich ahnte ja nicht was vor mir liegen würde…

Die Brücke über den Fluss, der niemals existierte

Als der französische Autor Pierre Boulle im Jahr 1951 seinen Roman „Die Brücke über den Kwai“ veröffentlichte, hatte er mit seiner literarischen Darstellung des Eisenbahnbaus zwischen Thailand und Burma nur mäßigen Erfolg. Erst der sechs Jahre später erschienende gleichnamige Film von David Lean machte auch den Roman und seinen Autor weltweit bekannt. Der mehrfach Oscar-gekrönte Film brachte der Öffentlichkeit das Leid der alliierten Kriegsgefangenen vor Augen, die unter widrigsten Umständen und in kürzester Zeit, eine Eisenbahnlinie durch das unwegsame thailändisch-burmesische Grenzgebiet schlagen mussten.

Durch den Film neugierig gewordene Thailandtouristen, die sich zu Beginn der sechziger Jahre vermehrt nach Kanchanaburi aufmachten, um dort die Schauplätze des Films und vor allem die Brücke zu besichtigen, wurden in ihren Erwartungen jedoch zutiefst enttäuscht. Hatte doch das echte Kanchanaburi wenig mit dem des Films gemein, der im Übrigen gar nicht in Thailand sondern auf Sri Lanka gedreht wurde. Das Kanchanaburi Boulles und Leans lag verlassen, von jeder Zivilisation abgeschnitten, mitten im tiefsten Dschungel. Das echte Kanchanaburi war eine lebendige thailändische Kleinstadt am Fuße hoher Berge.

Dies wäre möglicherweise noch zu ertragen gewesen, hätte doch zumindest die Brücke selbst den eindrucksvollen Bildern Hollywoods standgehalten. Doch leider mussten die mittlerweile völlig desillusionierten Touristen feststellen, dass eine Brücke über den Kwai gar nicht existierte und auch niemals existiert hatte. Ja, nicht einmal einen Fluss namens Kwai hatte es je gegeben.

Um Pierre Boulle in Schutz zu nehmen sei erwähnt, dass er die armen Touristen nicht mutwillig in die Irre geführt hat. Er selbst war zwar während des Krieges in Südostasien stationiert und geriet auch in japanische Kriegsgefangenschaft. Am Bau der Eisenbahnstrecke war er jedoch nicht beteiligt und erfuhr von den Ereignissen durch Erzählungen anderer Kriegsgefangener. Boulle ging hierbei zweierlei heimtückischer Gefahren auf den Leim, dem „Stille Post Effekt“  sowie den Tücken der thailändischen Sprache.

Die Eisenbahnstrecke, die von den Kriegsgefangenen gebaut und deren Betrieb nach Kriegsende von der thailändischen Eisenbahngesellschaft wieder aufgenommen wurde, führt bei Kanchanaburi über den Fluss Maeklaung. An dieser Stelle befindet sich eine massive Brücke aus Beton und Stall, die ein ursprünglicher Teil der Strecke ist und welche die Bombardierungen der Alliierten relativ schadlos überstanden hat. Sie ist die einzige originale Brücke, die heute noch existiert.

Parallel zur Eisenbahnstrecke verläuft ein Nebenfluss des Maeklaungs, der Khwae Noi (kleiner Nebenfluss). Dieser folgt der Eisenbahnstrecke ein gutes Stück auf ihrem Verlauf und kommt ihr dort, wo sich heute die kleine Siedlung Chungkai befindet, sehr nahe. Hier befand sich zum Zeitpunkt des Eisenbahnbaus eine Böschung (Chong), die von Wasserbüffeln (Kwai) mit Vorliebe zum Trinken und für das abendliche Bad genutzt wurde. Für die Kriegsgefangenen waren die nuancellen Unterschiede der Wörter Khwae und Kwai nicht wahrnehmbar. Für sie wurde aus dem Fluss Kwae Noi der Fluss Kwai.

Die Eisenbahnstrecke und der Fluss Khwae Noi verlaufen in Richtung der burmesischen Grenze noch eine Weile nebeneinander her, ohne dass sich beide jemals kreuzen. Dort, in dem durch hohe Berge zerklüftetem, nahezu undurchdringbarem Dschungel, überquert die Eisenbahnstrecke einen Nebenfluss des Khwae Noi, den Fluss Song Khalia. An dieser Stelle spielten sich viele der Tragödien ab, welche den Bau der Eisenbahnlinie begleiteten und die zur Entstehung des Mythos des „Death Railways“ beitrugen. Von diesem Ort hatte Pierre Boulle gehört, über diese Ereignisse schrieb er seinen Roman. Der Name des Flusses war also durch die Ähnlichkeit der Wörter Khwae und Kwai, sowie die Verwechslung der Flüsse Kwae Noi und Song Khlai entstanden.

Dieses mag die etymologische und geographische Erklärung sein wie es dazu kommen konnte, dass Boulle einen Roman über einen Fluss schrieb, der niemals existiert hatte. Eine zufriedenstellende Lösung für die scheinbar vergeblich nach Kanchanaburi gereisten Touristengruppen war dies jedoch bei Leibe nicht.

Die thailändischen Behörden suchten daher nach einer Möglichkeit den enttäuschten Touristen doch noch etwas bieten zu können. Sie erinnerten sich der originalen Brücke über den Maeklaung, die ja tatsächlich von den Kriegsgefangenen für den Bau der Eisenbahnlinie errichtet worden war. Kurzerhand benannten sie den Flussabschnitt des Maeklaungs bei Kanchanaburi in Kwai Yai (großer Nebenfluss) und den Fluss Khwae Noi in Kwai Noi (kleiner Nebenfluss) um. Sie hatten somit die „historische Wahrheit“ überlistet und Pierre Boulle im Nachhinein doch noch recht gegeben. Nun gab es doch eine Brücke über den Kwai.

Wer nähere Informationen zu dieser kleinen Posse haben möchte oder sich generell für die Geschichte des „Death Railways“ interessiert, dem sei folgende Literatur ans Herz gelegt:

Beattie, Rod: The Death Railway. A brief history of The Thailand-Burma Railway, Kanchanaburi 2009.

Boggett, David: Notes on the Thai-Burma Railway. Part I: “The Bridge on the River Kwai” – The Movie, in: Journal of Kyoto Seika University Vol. 19 2000, p. 112-123.

 

 

 

 

Zwei Tage Chumphon

Da ich mich in meiner Masterarbeit mit dem Umgang Thailands mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftige, unternahm ich mehrere Reisen in verschiedene Landesteile, um die dortige Erinnerungskultur unter die Lupe zu nehmen. Eine dieser „Forschungsreisen“ brachte mich in den Süden Thailands, in die Stadt Chumphon.

Im Süden Thailands ist die Erinnerung an den Krieg vor allem durch die japanische Invasion vom 8. Dezember 1941 und die Verehrung der gefallenen thailändischen Soldaten geprägt. Insbesondere das Schicksal einiger Schülersoldaten, die zur Landesverteidigung eingesetzt wurden und den japanischen Soldaten wenig entgegenzusetzen hatten, ist Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses. Mein Interesse galt in erster Linie einem Denkmal, welches eben diesen Soldaten gewidmet ist, sowie die Darstellung der Ereignisse im National Museum von Chumphon.

Bei der Vorbereitung dieser Reise wurde ich bestens durch die Mitarbeiter des National Museums Chumphon unterstützt. Sie versorgten mich mit einer Art „Zauberzettel“, der auf Thai Informationen zur Anreise, dem Denkmal, dem Museum und zu einigen Hotels enthielt. Optimal ausgerüstet begab ich mich also auf die Reise. Die Busfahrt erwies sich als eine absolut positive Überraschung. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Freundin im März auf einer Reise zur Insel Koh Lipe wie Vieh von schreienden „Reisebegleitern“ von Bus zu Bus getrieben wurde war meine Reise das reinste Vergnügen. Eine zierliche Dame wies mich freundlich auf meinen Platz und versorgte mich während der Fahrt mit Wasser und Süßigkeiten. Außer mir waren ausschließlich Thailänder, unter ihnen viele Familien, im Bus. Als Boardprogramm wurden drei etwas zu laute Hollywoodfilme und anschließend schnulzige Musikvideos gezeigt, in denen abwechselnd albern tanzende, leicht bekleidete Damen oder verträumt in die Ferne blickende Herren um die wette sangen. Exakt nach den angekündigten sechseinhalb Stunden erreichte der Bus sein Ziel. Ein Traum.

Die Stadt Chumphon entpuppte sich als typische thailändische Kleinstadt. Ich konnte einen quirligen Markt, den obligatorischen 7 Eleven Mini-Supermarkt, sowie ein paar kleine Restaurants entdecken, aus denen es verführerisch duftete. Von meiner „Zauberliste“ geleitet, gelangte ich schnell an ein Hotel und checkte ein. Das Zimmer war weniger einladend und deutlich heruntergekommener als die schicke Lobby es hätte vermuten lassen. Die Wände waren beige und fleckig, auf dem Boden lag ein dicker, klebriger roter Teppich und vor den kleinen Fenstern hingen speckige Vorhänge. Es schien aber soweit sauber und bis auf ein paar Armeisen frei von Ungeziefer zu sein. Für 400 Bath, umgerechnet 10 Euro, war es also völlig akzeptabel.

Da es gerade mal nachmittags war, beschloss ich den ersten Teil meiner Mission hinter mich zu bringen und das Denkmal für die verstorbenen Soldaten, welches außerhalb der Stadt liegen sollte, zu besuchen. Ich ging zurück zum Markt zu einem der dort wartenden Motorrad-Taxis, holte meinen „Zauberzettel“ hervor, zeigte auf das Denkmal und sagte, dass ich dort hinfahren wolle. „Bai tii noon, dai mai krap“? Ich erntete einen irritierten Blick, wurde ein wenig skeptisch gemustert und wiederholte mein Anliegen. Der Motorradfahrer nahm nun endlich den Zettel in die Hand, las die zwei Zeilen dreimal und bat mich dann aufzusteigen. Kaum hatte ich den Helm aufgesetzt, in Chumphon gilt anders als auf Bangkoks Straßen eine Helmpflicht auch für Beifahrer, ging die wilde Fahrt schon los. Wir fuhren eine große Straße etwa zehn Minuten lang aus der Stadt heraus. Als wir bei dem Denkmal ankamen, wuselten dort etwa zwanzig Kindergartenkinder wild durcheinander, die wohl einen Ausflug unternahmen. Mein Fahrer erklärte sich freundlicherweise bereit auf mich zu warten und nutzte seine freie Zeit für eine Pinkel-. und Raucherpause. Ich wiederum nahm meine Kamera in die Hand und begann das Denkmal zu erkunden.

Das Denkmal besteht aus einem Betonquadrat in dessen Mitte eine übergroße Statue auf einem Sockel steht. Diese zeigt einen thailändischen Schülersoldaten, der in einer Art Abwehrhaltung das Gewähr fest in beiden Händen hält. Das Denkmal war gut gepflegt und wird offensichtlich häufig besucht, fanden sich doch zu seinem Fuße Blumen, Räucherstäbchen und kleine Essensgaben, wie man es in Thailand an wichtigen Denkmälern und religiösen Heiligtümern oft sehen kann. Ich machte einige Fotos und sprang anschließend wieder aufs Motorrad. Auch die Kindergartengruppe machte sich auf den Heimweg. Kurioserweise fanden alle Kinder, es mochten beinahe zwanzig sein, in nur einem Van Platz. Durch das Fenster konnte ich erkennen, dass sie eng aneinander gequetscht, ja beinahe aufeinander saßen. Das hielt sie aber nicht davon ab über mich zu tuscheln und zu lachen. Da hätten also noch zehn Bengel und Gören mehr reingepasst.

Wieder in der Stadt angekommen, kaufte ich mir auf dem Markt eine Kleinigkeit zu Essen und ging zurück ins Hotel um zeitig schlafen zu gehen. Ich hatte schließlich mehr als sechs Stunden Bus fahren hinter und einen spannenden Tag vor mir. Das thailändische Fernsehen zeigte als Gute-Nacht-Unterhaltung Volleyball. Vietnam schlug Korea in fünf Sätzen. Ein packendes Match.

Am nächsten Morgen machte ich mich gegen neun Uhr voller Tatendrang Richtung des National Museums auf. Wieder half mir mein „Zauberzettel“ dabei ein Motorrad zu chartern. Wir fuhren in der entgegengesetzten Richtung wie Tags zuvor aus der Stadt heraus. Mein Fahrer drückte ordentlich aufs Gaß, der Fahrtwind wehte mir wild ins Gesicht und ich war ganz froh einen Helm auf dem Kopf zu haben, auch wenn dieser eher seitlich auf meinem Kopf lag, so lose war der Gurt. Ich konnte im Rückspiegel erkennen wie albern das aussah.

Nach etwa zehn Minuten erreichten wir das Museum. Dort wurde gerade renoviert und ich war kurz unsicher, ob es überhaupt geöffnet war. Ich fand aber jemanden der mich in das Büro der Museumsleitung führte. Es dauerte etwa zehn Minuten, in denen ich beinahe alle mir bekannten thailändischen Vokabeln in zufälliger Reinfolge aufgesagt hatte, bis sie verstanden hatten, wer ich war und was ich wollte. Als dieses geklärt war, zeigten mir die Direktorin und eine Mitarbeiterin die Ausstellung des Museums und erläuterten mit äußerst wortreich die verschiedenen Abteilungen. In maßloser Überschätzung meiner Thaikenntnisse, sprachen sie kaum englisch, und ließen thailändische Wortsalven auf mich niederprasseln. Ich verstand ihre Ausführungen kaum, nickte aber eifrig und versuchte an möglichst passenden Stellen „wow“ und „very intersting“ unterzubringen.

Den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs widmet das Museum eine eigene kleine Abteilung, die aus zwei Räumen besteht. Die Darstellung ist, so wie ich es vorher erwartet hatte, von dem Gedenken an die thailändischen Opfer geprägt und ergab genug Stoff für meine Arbeit. Neben den Texten, die leider viel Quatsch enthielten, befinden sich in den Räumen eine Staute eines Soldaten und ein paar Illustrationen der Ereignisse.

Nach der Besichtigung der Ausstellung verabschiedete ich mich von den beiden netten Damen, dankte für ihre Hilfe und fuhr zurück in die Stadt. Bis zur Abfahrt des Busses nach Bangkok hatte ich noch etwa zwei Stunden Zeit, die ich dafür nutzte beim Markt ein paar Geschenke und eine Bayer Leverkusen Hose zu erstehen, die ich eigentlich nur kaufte, weil sie hier zu finden so skurril war.

Auf der Rückfahrt machte der Bus in der Nähe der Stadt Petchaburi Station. In dem Restaurant des Rasthofs gab es einen köstlichen thailändischen Nachtisch. Eine Art thailändischer Crema Catalana aus Kokosnussmilch.

Eine selten gesehene Köstlichkeit und ein guter Abschluss meiner kleinen Reise.

 

 

Auf den Spuren von Narrativität, Multiperspektivität und Co

Im Rahmen meines zweiten Praktikums in Thailand wurde mir die wahrlich spannende Möglichkeit zuteil, verschiedene Museen in Bangkok und anderen Teilen des Landes zu besuchen und zu analysieren.

Bei dem Versuch, diese Mission zu erfüllen, konnte ich vielfältige Eindrücke und Erfahrungen sammeln. Mal wurde ich von hilfsbereiten Museumsmitarbeitern auf ihrem eigenen Moped zur Busstation gefahren, mal saß ich alleine in dem Van meines Praktikumsgebers und fühlte mich, während ich von meinem persönlichen Fahrer durch die Straßen Bangkoks eskortiert wurde, eher wie ein Filmstar als wie ein Praktikant.

In einigen Fällen balancierte ich, meinem eigenem Empfinden nach, recht nahe am Rande der Lächerlichkeit. Zum Beispiel, wenn ich an einem Ort, der eher an einen charismatischen Tante Emma Läden erinnerte als an ein Museum, verzweifelt nach den kleinsten Spuren von Narrativität oder Multiperspektivität suchte. In anderen Fällen entdeckte ich wahre Schätze der Geschichtskultur, versteckt im zweiten Stockwerk einer Bibliothek oder in jahrhundertealten Teakholzhäusern inmitten eines Palmengartens.

Trotz aller offensichtlichen Barrieren und Probleme, die in kulturellen Unterschieden, dem Bangkoker Verkehrschaos und meinen Defiziten betreffend der thailändischen Sprache und Geschichte lagen, habe ich jedes Museum, das auf meiner Liste stand gefunden, besucht und dessen Inhalt manchmal weniger, manchmal mehr verstanden.

Meine Eindrücke und Erkenntnisse dieser Besuche schließlich in sinnvolle Sätze zu verpacken und dabei die Formeln der deutschen Geschichtsdidaktik erst ins Englische zu übersetzen und anschließend meinen Kollegen verständlich zu machen, war häufig der schwierigste Teil meiner Aufgabe.