Tour in den Norden II

Der zweite Teil meiner kleinen Reise in den Norden Thailands, die zum Ziel hatte die unterschiedliche Darstellung des Zeiten Weltkriegs in den verschiedenen Museen unter die Lupe zu nehmen, begann früh morgendlich am Busbahnhof von Chiang Mai.

Nachdem ich Tags zuvor bereits das sehr eindrucksvolle Seri Thai Museum in Prae besichtigt hatte, sollte es nun in das kleine Bergdorf Khun Yuam gehen. Dieses liegt ganz im Nordwesten des Landes, unweit der Grenze zu Myanmar. In dieser Region waren während des Zweiten Weltkriegs viele Japanische Soldaten stationiert. Khun Yuam fungierte als eine Art Ausgangsbasis für die Expeditionen nach Burma. Anders als in vielen Regionen des Landes wurden die Japaner hier von der einheimischen Bevölkerung jedoch nicht als Feinde oder Eindringlinge wahrgenommen. Die vorher teilweise marginalisierte Bevölkerung war den Japanern gegenüber deutlich aufgeschlossener als anderorts. Es entwickelten sich profitable Handelsbeziehungen, Freundschaften und in einigen Fällen sogar Liebesbeziehungen zwischen Thailändern und Japanern. Das Thai-Japanese-Friendship-Memorial Museum schildert die Erfahrungen dieser Menschen, zeigt auf diese Weise eine ganz andere Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg und hatte daher mein Interesse auf sich gezogen.

Obwohl Chiang Mai nur etwa 300 Kilometer von Khun Yuam entfernt liegt, ist die Reise zwischen diesen beiden Orten äußerst umständlich, versperren doch etliche hohe Berge die Passage. Lediglich eine Buslinie macht sich dreimal am Tag auf diese beschwerliche Reise. Ich wusste vorher, dass diese Ochsentour sieben Stunden dauern sollte. Ich wusste allerdings nicht, dass hierbei Busse eingesetzt werden, die ungefähr in dem Jahr gebaut wurden als Christopher Columbus Amerika entdeckte. Ein uralter, vom Rost zerfressener Haufen Altmetall, sollte mich und die anderen etwa vierzig Reisenden sicher ans Ziel bringen. Das konnte nicht gut gehen. Ging es schlussendlich auch nicht. Aber immer der Reihe nach.

Zunächst machte sich der Schrotthaufen in vollem Tempo, als wolle er meiner Skepsis ein Schnippchen schlagen, eifrig ans Werk und auf die Reise. Zügig ging es aus der Stadt heraus und hinein ins Gebirge. In Ermangelung einer Klimaanlage oder funktionierender Ventilatoren waren während der Fahrt fortwährend beide Türen geöffnet. Dies förderte zwar frische Luft ins Wageninnere, erschien mir aber angesichts der unruhigen Fahrweise des Busses etwas riskant. Überhaupt schien der Bus mit den vielen Serpentinen und den steilen Hängen seine liebe Not zu haben. Er fauchte und ächzte, stöhnte und spuckte was das Zeug hielt. Angesichts des Geräusches des Motors hätte man bei geschlossenen Augen denken können der Wagen führe in affenartiger Geschwindigkeit die Berge hinauf. Bei offenen Augen sah man aber, dass der Bus trotz des schrecklichen Getöses keine zwanzig Stundekilometer mehr auf die Piste brachte. Zu allem Unglück entwickelte das Gefährt plötzlich die Angewohnheit alle fünf Minuten stehen zu bleiben. Das waren keine all zu guten Vorzeichen, waren wir doch gerade mal zwei Stunden unterwegs.

Nachdem sich der Bus noch eine weitere Stunde lang in Schrittgeschwindigkeit die steilen Hänge hoch gemüht hatte, kam er an einer kleinen Lichtung endgültig zum stehen. Der sichtlich zerknirschte und beschämte Busfahrer erklärte nach einem kurzen Blick auf den Motor, dass dieser Bus nicht weiterfahren könne. Wir sollten auf den nächsten Bus warten, der in etwa zwei Stunden diese Stelle passieren müsse. Diese Nachricht schockierte mich nicht sonderlich. Es war schon vorher abzusehen, dass diese Schrottkiste die etwa 150 Kilometer bis nach Khun Yuam nicht mehr würde bewältigen können. Ich war zudem froh ein wenig an die frische Luft zu kommen und begann die Landschaft zu erkunden. Die Lichtung an welcher der Bus endgültig seinen Dienst eingestellt hatte, bestand nicht wie die Wälder weiter bergab aus tropischem Regenwald. Vielmehr erblickten meine ungläubigen Augen, dass sich hier etliche Tannen aneinander reihten, vor denen einige duzend Kühe friedlich auf einer saftig grünen Wiese grasten. Ich wähnte mich eher im Schwarzwald als in Thailand. Dass dies doch nicht der Schwarzwald war erkannte ich, als mir auf einer kleinen Erkundungstour eine etwa handgroße, giftig  bunt glitzernde Riesenspinne begegnete. Ich zog mich vorsichtig zurück und war von nun an weniger erkundungslustig.

Als der nachfolgende Bus endlich eintraf entpuppte sich dieser äußerlich als etwas robuster und rüstiger als sein Vorgänger. Unglücklicherweise war er jedoch bereits vollkommen mit Passagieren vollgestopft. Die kommenden drei Stunden verbrachte ich stehend, in leicht gekrümmter Haltung, einzig damit beschäftigt die ständigen Richtungswechsel des Busses mit meinem Körpergewicht auszugleichen, um nicht auf die vor mir platzierten Thais zu stürzen. Meine Hände füllten sich mit der Zeit ganz taub an, so fest krallte ich mich an die Haltegriffe. Meine Knie wiederum begannen ob der unnatürlichen Haltung die ich ihnen zumutete einen stechenden Schmerz an mein Gehirn zu senden mit der klaren Botschaft: Mach etwas oder wir platzen! Nach einiger Zeit lehrte sich der Bus ein bisschen und ich konnte den Rest der Fahrt sitzend verbringen.

Etwa gegen halb fünf war die Tortour überstanden und der Bus endlich in Khun Yuam angekommen. Zeit meine Wunden zu lecken bestand kaum, hatte das Museum laut meiner Informationen doch nur noch eine halbe Stunde geöffnet. Ich machte mich also umgehend zu dem Museumsgelände auf. Als ich dort angekommen war, hatte ich zunächst Zweifel am richtigen Ort zu sein. Das eindrucksvoll große und neu glänzende Museumsgebäude stimmte nicht mit den Bildern überein, die ich vorher mühsam im Internet zusammengesucht hatte. Es stellte sich heraus, dass das alte Museum, welches sich auf demselben Gelände befunden hatte, geschlossen und durch ein komplett neues Museum ersetzt worden war. Das ursprüngliche Museum war von einem Einheimischen eröffnet und von dem japanischen Staat reichlich und nicht ganz uneigennützig gefördert worden. Soweit ich gehört und gelesen hatte, wurde hier früher eine Version des Zweiten Weltkriegs präsentiert, in welcher die Japaner durchweg in einem positiven Licht dargestellt wurden, als Befreier ihrer asiatischen Brüder und Schwestern.

Das neue Museum, das vom thailändischen Fine Arts Department getragen wird, verfügt nicht nur über ein ästhetisch sehr ansprechendes Design, sondern präsentiert auch eine deutlich ausgewogenere Sicht der Dinge. So werden die Umstände der japanischen Expansion nüchtern und umfassend erläutert, ohne in die revisionistischen Töne des Vorgängers zu verfallen. Gleichzeitig finden aber auch die Erinnerungen der Dorfbewohner und ihre positiven Erfahrungen mit den Japanern genug Beachtung. Einige Beispiele des positiven Zusammenlebens werden hervorgehoben und besonders detailliert beschrieben. Besonders der Film, der in einem extra Raum gezeigt wird, geht auf die Erinnerungen der Bewohner Khun Yuams ein. Hier werden Ausschnitte aus Interviews mit Zeitzeugen gezeigt, unter ihnen auch eine Dame, die sich in einen der japanischen Soldaten verliebte und von diesem zwei Söhne bekam.

Von den Reisestrapazen mittlerweile völlig erschöpft, suchte ich mir bald nach dem Museumsbesuch ein kleines schnuckeliges Hotel. Es war in einem alten Holzhaus untergebracht und lag direkt am Hang. Die Sicht auf die umliegenden Berge war großartig.

Am nächsten Tag besichtigte ich den Tempel Wat Muay Tor, auf dessen Gelände sich während des Zweiten Weltkriegs ein Krankenhaus für die verletzten japanischen Soldaten befunden hatte. Es fanden sich hier ein paar Gräber mit japanischen Inschriften, sowie ein erst im letzten Jahr errichtetes Denkmal, dass an die verstorbenen japanischen Soldaten erinnert und die Unterstützung durch die Dorfbewohner hervorhebt.

Um fünf Uhr Nachmittags bestieg ich den Bus, der mich in einer Fahrt von fünfzehn Stunden wieder nach Bangkok bringen sollte. Es war ein nagelneuer Dopperldecker, dessen Luxuseinrichtung einen krassen Gegensatz zum Gefährt des Vortags darstellte. Doch auch dieser Luxusschlitten hatte mit dem unwegsamen Gelände so seine Probleme. Eine extrem heftige Steigung machte ihm besonders zu schaffen. Nachdem er an dieser zwei Mal gescheitert war, stieg der Busbegleiter aus und bugsierte zwei riesige Steine hinter die Hinterräder des Busses. Mit dieser kleinen Starthilfe erklomm der Bus schließlich die Rampe. Der Busfahrer wollte wohl kein weiteres Risiko eingehen und fuhr bis zum Berggipfel in einer Tour durch, ohne auf den Reisebegleiter zu warten. Ich konnte aus dem Fenster sehen, wie dieser einige Kehren unter dem Bus einen Spurt einlegte. Es sah recht lustig aus, wie er sich in seiner samtigen Uniform mit hochrotem Kopf den Berg hinaufquälte. Mit diesem Bild im Kopf schlief ich ein und wurde im Massagesessel gemächlich nach Bangkok kutschiert.

Die Brücke über den Fluss, der niemals existierte

Als der französische Autor Pierre Boulle im Jahr 1951 seinen Roman „Die Brücke über den Kwai“ veröffentlichte, hatte er mit seiner literarischen Darstellung des Eisenbahnbaus zwischen Thailand und Burma nur mäßigen Erfolg. Erst der sechs Jahre später erschienende gleichnamige Film von David Lean machte auch den Roman und seinen Autor weltweit bekannt. Der mehrfach Oscar-gekrönte Film brachte der Öffentlichkeit das Leid der alliierten Kriegsgefangenen vor Augen, die unter widrigsten Umständen und in kürzester Zeit, eine Eisenbahnlinie durch das unwegsame thailändisch-burmesische Grenzgebiet schlagen mussten.

Durch den Film neugierig gewordene Thailandtouristen, die sich zu Beginn der sechziger Jahre vermehrt nach Kanchanaburi aufmachten, um dort die Schauplätze des Films und vor allem die Brücke zu besichtigen, wurden in ihren Erwartungen jedoch zutiefst enttäuscht. Hatte doch das echte Kanchanaburi wenig mit dem des Films gemein, der im Übrigen gar nicht in Thailand sondern auf Sri Lanka gedreht wurde. Das Kanchanaburi Boulles und Leans lag verlassen, von jeder Zivilisation abgeschnitten, mitten im tiefsten Dschungel. Das echte Kanchanaburi war eine lebendige thailändische Kleinstadt am Fuße hoher Berge.

Dies wäre möglicherweise noch zu ertragen gewesen, hätte doch zumindest die Brücke selbst den eindrucksvollen Bildern Hollywoods standgehalten. Doch leider mussten die mittlerweile völlig desillusionierten Touristen feststellen, dass eine Brücke über den Kwai gar nicht existierte und auch niemals existiert hatte. Ja, nicht einmal einen Fluss namens Kwai hatte es je gegeben.

Um Pierre Boulle in Schutz zu nehmen sei erwähnt, dass er die armen Touristen nicht mutwillig in die Irre geführt hat. Er selbst war zwar während des Krieges in Südostasien stationiert und geriet auch in japanische Kriegsgefangenschaft. Am Bau der Eisenbahnstrecke war er jedoch nicht beteiligt und erfuhr von den Ereignissen durch Erzählungen anderer Kriegsgefangener. Boulle ging hierbei zweierlei heimtückischer Gefahren auf den Leim, dem „Stille Post Effekt“  sowie den Tücken der thailändischen Sprache.

Die Eisenbahnstrecke, die von den Kriegsgefangenen gebaut und deren Betrieb nach Kriegsende von der thailändischen Eisenbahngesellschaft wieder aufgenommen wurde, führt bei Kanchanaburi über den Fluss Maeklaung. An dieser Stelle befindet sich eine massive Brücke aus Beton und Stall, die ein ursprünglicher Teil der Strecke ist und welche die Bombardierungen der Alliierten relativ schadlos überstanden hat. Sie ist die einzige originale Brücke, die heute noch existiert.

Parallel zur Eisenbahnstrecke verläuft ein Nebenfluss des Maeklaungs, der Khwae Noi (kleiner Nebenfluss). Dieser folgt der Eisenbahnstrecke ein gutes Stück auf ihrem Verlauf und kommt ihr dort, wo sich heute die kleine Siedlung Chungkai befindet, sehr nahe. Hier befand sich zum Zeitpunkt des Eisenbahnbaus eine Böschung (Chong), die von Wasserbüffeln (Kwai) mit Vorliebe zum Trinken und für das abendliche Bad genutzt wurde. Für die Kriegsgefangenen waren die nuancellen Unterschiede der Wörter Khwae und Kwai nicht wahrnehmbar. Für sie wurde aus dem Fluss Kwae Noi der Fluss Kwai.

Die Eisenbahnstrecke und der Fluss Khwae Noi verlaufen in Richtung der burmesischen Grenze noch eine Weile nebeneinander her, ohne dass sich beide jemals kreuzen. Dort, in dem durch hohe Berge zerklüftetem, nahezu undurchdringbarem Dschungel, überquert die Eisenbahnstrecke einen Nebenfluss des Khwae Noi, den Fluss Song Khalia. An dieser Stelle spielten sich viele der Tragödien ab, welche den Bau der Eisenbahnlinie begleiteten und die zur Entstehung des Mythos des „Death Railways“ beitrugen. Von diesem Ort hatte Pierre Boulle gehört, über diese Ereignisse schrieb er seinen Roman. Der Name des Flusses war also durch die Ähnlichkeit der Wörter Khwae und Kwai, sowie die Verwechslung der Flüsse Kwae Noi und Song Khlai entstanden.

Dieses mag die etymologische und geographische Erklärung sein wie es dazu kommen konnte, dass Boulle einen Roman über einen Fluss schrieb, der niemals existiert hatte. Eine zufriedenstellende Lösung für die scheinbar vergeblich nach Kanchanaburi gereisten Touristengruppen war dies jedoch bei Leibe nicht.

Die thailändischen Behörden suchten daher nach einer Möglichkeit den enttäuschten Touristen doch noch etwas bieten zu können. Sie erinnerten sich der originalen Brücke über den Maeklaung, die ja tatsächlich von den Kriegsgefangenen für den Bau der Eisenbahnlinie errichtet worden war. Kurzerhand benannten sie den Flussabschnitt des Maeklaungs bei Kanchanaburi in Kwai Yai (großer Nebenfluss) und den Fluss Khwae Noi in Kwai Noi (kleiner Nebenfluss) um. Sie hatten somit die „historische Wahrheit“ überlistet und Pierre Boulle im Nachhinein doch noch recht gegeben. Nun gab es doch eine Brücke über den Kwai.

Wer nähere Informationen zu dieser kleinen Posse haben möchte oder sich generell für die Geschichte des „Death Railways“ interessiert, dem sei folgende Literatur ans Herz gelegt:

Beattie, Rod: The Death Railway. A brief history of The Thailand-Burma Railway, Kanchanaburi 2009.

Boggett, David: Notes on the Thai-Burma Railway. Part I: “The Bridge on the River Kwai” – The Movie, in: Journal of Kyoto Seika University Vol. 19 2000, p. 112-123.

 

 

 

 

Zwei Tage Chumphon

Da ich mich in meiner Masterarbeit mit dem Umgang Thailands mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftige, unternahm ich mehrere Reisen in verschiedene Landesteile, um die dortige Erinnerungskultur unter die Lupe zu nehmen. Eine dieser „Forschungsreisen“ brachte mich in den Süden Thailands, in die Stadt Chumphon.

Im Süden Thailands ist die Erinnerung an den Krieg vor allem durch die japanische Invasion vom 8. Dezember 1941 und die Verehrung der gefallenen thailändischen Soldaten geprägt. Insbesondere das Schicksal einiger Schülersoldaten, die zur Landesverteidigung eingesetzt wurden und den japanischen Soldaten wenig entgegenzusetzen hatten, ist Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses. Mein Interesse galt in erster Linie einem Denkmal, welches eben diesen Soldaten gewidmet ist, sowie die Darstellung der Ereignisse im National Museum von Chumphon.

Bei der Vorbereitung dieser Reise wurde ich bestens durch die Mitarbeiter des National Museums Chumphon unterstützt. Sie versorgten mich mit einer Art „Zauberzettel“, der auf Thai Informationen zur Anreise, dem Denkmal, dem Museum und zu einigen Hotels enthielt. Optimal ausgerüstet begab ich mich also auf die Reise. Die Busfahrt erwies sich als eine absolut positive Überraschung. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Freundin im März auf einer Reise zur Insel Koh Lipe wie Vieh von schreienden „Reisebegleitern“ von Bus zu Bus getrieben wurde war meine Reise das reinste Vergnügen. Eine zierliche Dame wies mich freundlich auf meinen Platz und versorgte mich während der Fahrt mit Wasser und Süßigkeiten. Außer mir waren ausschließlich Thailänder, unter ihnen viele Familien, im Bus. Als Boardprogramm wurden drei etwas zu laute Hollywoodfilme und anschließend schnulzige Musikvideos gezeigt, in denen abwechselnd albern tanzende, leicht bekleidete Damen oder verträumt in die Ferne blickende Herren um die wette sangen. Exakt nach den angekündigten sechseinhalb Stunden erreichte der Bus sein Ziel. Ein Traum.

Die Stadt Chumphon entpuppte sich als typische thailändische Kleinstadt. Ich konnte einen quirligen Markt, den obligatorischen 7 Eleven Mini-Supermarkt, sowie ein paar kleine Restaurants entdecken, aus denen es verführerisch duftete. Von meiner „Zauberliste“ geleitet, gelangte ich schnell an ein Hotel und checkte ein. Das Zimmer war weniger einladend und deutlich heruntergekommener als die schicke Lobby es hätte vermuten lassen. Die Wände waren beige und fleckig, auf dem Boden lag ein dicker, klebriger roter Teppich und vor den kleinen Fenstern hingen speckige Vorhänge. Es schien aber soweit sauber und bis auf ein paar Armeisen frei von Ungeziefer zu sein. Für 400 Bath, umgerechnet 10 Euro, war es also völlig akzeptabel.

Da es gerade mal nachmittags war, beschloss ich den ersten Teil meiner Mission hinter mich zu bringen und das Denkmal für die verstorbenen Soldaten, welches außerhalb der Stadt liegen sollte, zu besuchen. Ich ging zurück zum Markt zu einem der dort wartenden Motorrad-Taxis, holte meinen „Zauberzettel“ hervor, zeigte auf das Denkmal und sagte, dass ich dort hinfahren wolle. „Bai tii noon, dai mai krap“? Ich erntete einen irritierten Blick, wurde ein wenig skeptisch gemustert und wiederholte mein Anliegen. Der Motorradfahrer nahm nun endlich den Zettel in die Hand, las die zwei Zeilen dreimal und bat mich dann aufzusteigen. Kaum hatte ich den Helm aufgesetzt, in Chumphon gilt anders als auf Bangkoks Straßen eine Helmpflicht auch für Beifahrer, ging die wilde Fahrt schon los. Wir fuhren eine große Straße etwa zehn Minuten lang aus der Stadt heraus. Als wir bei dem Denkmal ankamen, wuselten dort etwa zwanzig Kindergartenkinder wild durcheinander, die wohl einen Ausflug unternahmen. Mein Fahrer erklärte sich freundlicherweise bereit auf mich zu warten und nutzte seine freie Zeit für eine Pinkel-. und Raucherpause. Ich wiederum nahm meine Kamera in die Hand und begann das Denkmal zu erkunden.

Das Denkmal besteht aus einem Betonquadrat in dessen Mitte eine übergroße Statue auf einem Sockel steht. Diese zeigt einen thailändischen Schülersoldaten, der in einer Art Abwehrhaltung das Gewähr fest in beiden Händen hält. Das Denkmal war gut gepflegt und wird offensichtlich häufig besucht, fanden sich doch zu seinem Fuße Blumen, Räucherstäbchen und kleine Essensgaben, wie man es in Thailand an wichtigen Denkmälern und religiösen Heiligtümern oft sehen kann. Ich machte einige Fotos und sprang anschließend wieder aufs Motorrad. Auch die Kindergartengruppe machte sich auf den Heimweg. Kurioserweise fanden alle Kinder, es mochten beinahe zwanzig sein, in nur einem Van Platz. Durch das Fenster konnte ich erkennen, dass sie eng aneinander gequetscht, ja beinahe aufeinander saßen. Das hielt sie aber nicht davon ab über mich zu tuscheln und zu lachen. Da hätten also noch zehn Bengel und Gören mehr reingepasst.

Wieder in der Stadt angekommen, kaufte ich mir auf dem Markt eine Kleinigkeit zu Essen und ging zurück ins Hotel um zeitig schlafen zu gehen. Ich hatte schließlich mehr als sechs Stunden Bus fahren hinter und einen spannenden Tag vor mir. Das thailändische Fernsehen zeigte als Gute-Nacht-Unterhaltung Volleyball. Vietnam schlug Korea in fünf Sätzen. Ein packendes Match.

Am nächsten Morgen machte ich mich gegen neun Uhr voller Tatendrang Richtung des National Museums auf. Wieder half mir mein „Zauberzettel“ dabei ein Motorrad zu chartern. Wir fuhren in der entgegengesetzten Richtung wie Tags zuvor aus der Stadt heraus. Mein Fahrer drückte ordentlich aufs Gaß, der Fahrtwind wehte mir wild ins Gesicht und ich war ganz froh einen Helm auf dem Kopf zu haben, auch wenn dieser eher seitlich auf meinem Kopf lag, so lose war der Gurt. Ich konnte im Rückspiegel erkennen wie albern das aussah.

Nach etwa zehn Minuten erreichten wir das Museum. Dort wurde gerade renoviert und ich war kurz unsicher, ob es überhaupt geöffnet war. Ich fand aber jemanden der mich in das Büro der Museumsleitung führte. Es dauerte etwa zehn Minuten, in denen ich beinahe alle mir bekannten thailändischen Vokabeln in zufälliger Reinfolge aufgesagt hatte, bis sie verstanden hatten, wer ich war und was ich wollte. Als dieses geklärt war, zeigten mir die Direktorin und eine Mitarbeiterin die Ausstellung des Museums und erläuterten mit äußerst wortreich die verschiedenen Abteilungen. In maßloser Überschätzung meiner Thaikenntnisse, sprachen sie kaum englisch, und ließen thailändische Wortsalven auf mich niederprasseln. Ich verstand ihre Ausführungen kaum, nickte aber eifrig und versuchte an möglichst passenden Stellen „wow“ und „very intersting“ unterzubringen.

Den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs widmet das Museum eine eigene kleine Abteilung, die aus zwei Räumen besteht. Die Darstellung ist, so wie ich es vorher erwartet hatte, von dem Gedenken an die thailändischen Opfer geprägt und ergab genug Stoff für meine Arbeit. Neben den Texten, die leider viel Quatsch enthielten, befinden sich in den Räumen eine Staute eines Soldaten und ein paar Illustrationen der Ereignisse.

Nach der Besichtigung der Ausstellung verabschiedete ich mich von den beiden netten Damen, dankte für ihre Hilfe und fuhr zurück in die Stadt. Bis zur Abfahrt des Busses nach Bangkok hatte ich noch etwa zwei Stunden Zeit, die ich dafür nutzte beim Markt ein paar Geschenke und eine Bayer Leverkusen Hose zu erstehen, die ich eigentlich nur kaufte, weil sie hier zu finden so skurril war.

Auf der Rückfahrt machte der Bus in der Nähe der Stadt Petchaburi Station. In dem Restaurant des Rasthofs gab es einen köstlichen thailändischen Nachtisch. Eine Art thailändischer Crema Catalana aus Kokosnussmilch.

Eine selten gesehene Köstlichkeit und ein guter Abschluss meiner kleinen Reise.