Zwei Tage Chumphon

Da ich mich in meiner Masterarbeit mit dem Umgang Thailands mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftige, unternahm ich mehrere Reisen in verschiedene Landesteile, um die dortige Erinnerungskultur unter die Lupe zu nehmen. Eine dieser „Forschungsreisen“ brachte mich in den Süden Thailands, in die Stadt Chumphon.

Im Süden Thailands ist die Erinnerung an den Krieg vor allem durch die japanische Invasion vom 8. Dezember 1941 und die Verehrung der gefallenen thailändischen Soldaten geprägt. Insbesondere das Schicksal einiger Schülersoldaten, die zur Landesverteidigung eingesetzt wurden und den japanischen Soldaten wenig entgegenzusetzen hatten, ist Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses. Mein Interesse galt in erster Linie einem Denkmal, welches eben diesen Soldaten gewidmet ist, sowie die Darstellung der Ereignisse im National Museum von Chumphon.

Bei der Vorbereitung dieser Reise wurde ich bestens durch die Mitarbeiter des National Museums Chumphon unterstützt. Sie versorgten mich mit einer Art „Zauberzettel“, der auf Thai Informationen zur Anreise, dem Denkmal, dem Museum und zu einigen Hotels enthielt. Optimal ausgerüstet begab ich mich also auf die Reise. Die Busfahrt erwies sich als eine absolut positive Überraschung. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Freundin im März auf einer Reise zur Insel Koh Lipe wie Vieh von schreienden „Reisebegleitern“ von Bus zu Bus getrieben wurde war meine Reise das reinste Vergnügen. Eine zierliche Dame wies mich freundlich auf meinen Platz und versorgte mich während der Fahrt mit Wasser und Süßigkeiten. Außer mir waren ausschließlich Thailänder, unter ihnen viele Familien, im Bus. Als Boardprogramm wurden drei etwas zu laute Hollywoodfilme und anschließend schnulzige Musikvideos gezeigt, in denen abwechselnd albern tanzende, leicht bekleidete Damen oder verträumt in die Ferne blickende Herren um die wette sangen. Exakt nach den angekündigten sechseinhalb Stunden erreichte der Bus sein Ziel. Ein Traum.

Die Stadt Chumphon entpuppte sich als typische thailändische Kleinstadt. Ich konnte einen quirligen Markt, den obligatorischen 7 Eleven Mini-Supermarkt, sowie ein paar kleine Restaurants entdecken, aus denen es verführerisch duftete. Von meiner „Zauberliste“ geleitet, gelangte ich schnell an ein Hotel und checkte ein. Das Zimmer war weniger einladend und deutlich heruntergekommener als die schicke Lobby es hätte vermuten lassen. Die Wände waren beige und fleckig, auf dem Boden lag ein dicker, klebriger roter Teppich und vor den kleinen Fenstern hingen speckige Vorhänge. Es schien aber soweit sauber und bis auf ein paar Armeisen frei von Ungeziefer zu sein. Für 400 Bath, umgerechnet 10 Euro, war es also völlig akzeptabel.

Da es gerade mal nachmittags war, beschloss ich den ersten Teil meiner Mission hinter mich zu bringen und das Denkmal für die verstorbenen Soldaten, welches außerhalb der Stadt liegen sollte, zu besuchen. Ich ging zurück zum Markt zu einem der dort wartenden Motorrad-Taxis, holte meinen „Zauberzettel“ hervor, zeigte auf das Denkmal und sagte, dass ich dort hinfahren wolle. „Bai tii noon, dai mai krap“? Ich erntete einen irritierten Blick, wurde ein wenig skeptisch gemustert und wiederholte mein Anliegen. Der Motorradfahrer nahm nun endlich den Zettel in die Hand, las die zwei Zeilen dreimal und bat mich dann aufzusteigen. Kaum hatte ich den Helm aufgesetzt, in Chumphon gilt anders als auf Bangkoks Straßen eine Helmpflicht auch für Beifahrer, ging die wilde Fahrt schon los. Wir fuhren eine große Straße etwa zehn Minuten lang aus der Stadt heraus. Als wir bei dem Denkmal ankamen, wuselten dort etwa zwanzig Kindergartenkinder wild durcheinander, die wohl einen Ausflug unternahmen. Mein Fahrer erklärte sich freundlicherweise bereit auf mich zu warten und nutzte seine freie Zeit für eine Pinkel-. und Raucherpause. Ich wiederum nahm meine Kamera in die Hand und begann das Denkmal zu erkunden.

Das Denkmal besteht aus einem Betonquadrat in dessen Mitte eine übergroße Statue auf einem Sockel steht. Diese zeigt einen thailändischen Schülersoldaten, der in einer Art Abwehrhaltung das Gewähr fest in beiden Händen hält. Das Denkmal war gut gepflegt und wird offensichtlich häufig besucht, fanden sich doch zu seinem Fuße Blumen, Räucherstäbchen und kleine Essensgaben, wie man es in Thailand an wichtigen Denkmälern und religiösen Heiligtümern oft sehen kann. Ich machte einige Fotos und sprang anschließend wieder aufs Motorrad. Auch die Kindergartengruppe machte sich auf den Heimweg. Kurioserweise fanden alle Kinder, es mochten beinahe zwanzig sein, in nur einem Van Platz. Durch das Fenster konnte ich erkennen, dass sie eng aneinander gequetscht, ja beinahe aufeinander saßen. Das hielt sie aber nicht davon ab über mich zu tuscheln und zu lachen. Da hätten also noch zehn Bengel und Gören mehr reingepasst.

Wieder in der Stadt angekommen, kaufte ich mir auf dem Markt eine Kleinigkeit zu Essen und ging zurück ins Hotel um zeitig schlafen zu gehen. Ich hatte schließlich mehr als sechs Stunden Bus fahren hinter und einen spannenden Tag vor mir. Das thailändische Fernsehen zeigte als Gute-Nacht-Unterhaltung Volleyball. Vietnam schlug Korea in fünf Sätzen. Ein packendes Match.

Am nächsten Morgen machte ich mich gegen neun Uhr voller Tatendrang Richtung des National Museums auf. Wieder half mir mein „Zauberzettel“ dabei ein Motorrad zu chartern. Wir fuhren in der entgegengesetzten Richtung wie Tags zuvor aus der Stadt heraus. Mein Fahrer drückte ordentlich aufs Gaß, der Fahrtwind wehte mir wild ins Gesicht und ich war ganz froh einen Helm auf dem Kopf zu haben, auch wenn dieser eher seitlich auf meinem Kopf lag, so lose war der Gurt. Ich konnte im Rückspiegel erkennen wie albern das aussah.

Nach etwa zehn Minuten erreichten wir das Museum. Dort wurde gerade renoviert und ich war kurz unsicher, ob es überhaupt geöffnet war. Ich fand aber jemanden der mich in das Büro der Museumsleitung führte. Es dauerte etwa zehn Minuten, in denen ich beinahe alle mir bekannten thailändischen Vokabeln in zufälliger Reinfolge aufgesagt hatte, bis sie verstanden hatten, wer ich war und was ich wollte. Als dieses geklärt war, zeigten mir die Direktorin und eine Mitarbeiterin die Ausstellung des Museums und erläuterten mit äußerst wortreich die verschiedenen Abteilungen. In maßloser Überschätzung meiner Thaikenntnisse, sprachen sie kaum englisch, und ließen thailändische Wortsalven auf mich niederprasseln. Ich verstand ihre Ausführungen kaum, nickte aber eifrig und versuchte an möglichst passenden Stellen „wow“ und „very intersting“ unterzubringen.

Den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs widmet das Museum eine eigene kleine Abteilung, die aus zwei Räumen besteht. Die Darstellung ist, so wie ich es vorher erwartet hatte, von dem Gedenken an die thailändischen Opfer geprägt und ergab genug Stoff für meine Arbeit. Neben den Texten, die leider viel Quatsch enthielten, befinden sich in den Räumen eine Staute eines Soldaten und ein paar Illustrationen der Ereignisse.

Nach der Besichtigung der Ausstellung verabschiedete ich mich von den beiden netten Damen, dankte für ihre Hilfe und fuhr zurück in die Stadt. Bis zur Abfahrt des Busses nach Bangkok hatte ich noch etwa zwei Stunden Zeit, die ich dafür nutzte beim Markt ein paar Geschenke und eine Bayer Leverkusen Hose zu erstehen, die ich eigentlich nur kaufte, weil sie hier zu finden so skurril war.

Auf der Rückfahrt machte der Bus in der Nähe der Stadt Petchaburi Station. In dem Restaurant des Rasthofs gab es einen köstlichen thailändischen Nachtisch. Eine Art thailändischer Crema Catalana aus Kokosnussmilch.

Eine selten gesehene Köstlichkeit und ein guter Abschluss meiner kleinen Reise.

 

 

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