Thank you teacher!

Eine Freundin, die Lehrerin an einer thailändischen Schule ist, fragte mich, ob ich nicht zwei ihrer Klassen besuchen und eine kleine Präsentation geben könne. Das Thema sollte der Bau der Berliner Mauer sein. Ihre Schüler würden sich besonders für dieses Thema interessieren, hätten viele Frage und würden hierzu gerne einen „Experten“ treffen. Ein ausgesprochener Experte bin ich auf diesem Gebiet nicht. Ein Historiker, dessen Kernkompetenz es doch sein soll, sich in kürzester Zeit in fremde oder nicht ganz vertraute Themen einzuarbeiten, doch sehr wohl. Ich sagte also ohne zu zögern zu. Wenn es dort im fernen Phuttamonthon wirklich thailändische Jugendliche geben sollte, die sich ernsthaft für deutsche Geschichte interessierten, wäre es mir eine ausgesprochene Freude ihren Wissensdurst zu stillen.

Ich erstellte also eine kleine Präsentation und bat die Lehrerin die Folien auf Thai zu übersetzen. Die Fragen der Schüler waren mir vorher zugesendet worden und ziemlich beeindruckend. Sie wollten meine persönliche Motivation wissen mich mit Geschichte zu befassen, fragten nach familiären Berührungspunkten mit den Geschehnissen und schienen gut informiert. Wie mir ihre Lehrerin später beichtete, waren aber die beliebtesten Fragen, die nach meinem Lebenstand und meiner Meinung zum europäischen Fußball, von dieser Liste gestrichen worden. Schade eigentlich. Ich machte mich dennoch bestens gelaunt, voller Erwartung und ganz passabel vorbereitet auf den Weg.

Die Schule selbst war ganz offensichtlich eine Privatschule, so großzügig war sie ausgestattet. Den Einlass ermöglichte nur eine Chipkarte, der Sportplatz sah aus, als sei er erst Tage vorher  gebaut worden und jeder der Klassenräume verfügte über einen schicken Beamer. Anders als ich es von der Uni gewohnt war, funktionierten diese Dinger auch ohne jegliche Probleme. Ich wurde bei meinem erscheinen sehr freundlich von der Direktorin und den anderen Lehrkräften begrüßt und von den Schülern neugierig begutachtet. Mein „Alienstatus“ hielt sich aber in Grenzen. An der Schule gibt es zwei englische Lehrkräfte, sie waren also an „Farangs“ gewöhnt.

Die erste Klasse mit der ich mein Wissen teilen durfte, bestand aus gerade mal zehn Schülern. Es war eine besondere Klasse, in der vor allem lernschwächere oder Schüler mit Konzentrationsproblemen versammelt waren. Diese sahen mich äußerst erwartungsfroh und gespannt an. Man hatte also nicht übertrieben. Hier war wirklich Interesse vorhanden. Ich stellte mich in mehr oder weniger gebrochenem thailändisch vor, hatte hierdurch die ersten schüchternen Lacher auf meiner Seite und legte los. Während meines Vortrags war die Klasse sehr ruhig. Man hätte ein Reiskorn fallen hören können. Einer der Schüler lächelte mich die ganze Zeit an während ich redete und nickte mir fortwährend aufmunternd zu. Ein sehr angenehmes Publikum war das.

Leider musste ich sie zu Beginn ein wenig mit den etwas trögen Zusammenhängen und Erklärungen quälen. So richtig in Fahrt kamen sie und ich erst als ich die spannenden Bilder des Mauerbaus zeigte. Ich rutsche auf meinen Socken, Schuhe haben in thailändischen Klassenräumen nichts zu suchen, geschwind zwischen meinen Unterlagen und der Tafel, wild gestikulierend, hin und her. Eine sehr rege und spannende Diskussion entwickelte sich beim betrachten einer fertigen Grenzanlage. Die Schüler spekulierten über Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten diese zu überwinden.  Ich erntete ein paar „aahhs“ und „oohhs“ bei der Schilderung gelungener, spektakulärer Fluchtaktionen, drückte die Stimmung aber auch durch die Schilderung der tragischen Geschichten.

Die Zeit für die Beantwortung der Fragen war leider sehr zusammengeschmolzen. Ich hatte  für mein Programm leider länger als die anvisierten 20 Minuten gebraucht. Zudem waren die Stunden an diesem Tag von 50 auf 40 Minuten reduziert worden, da am Nachmittag eine besondere Veranstaltung angekündigt war. Ich wurde dennoch im Chor freundlich verabschiedet. „Thank you teacher“ und hatte den ersten Teil der Aufgabe erledigt.

Die zweite Vorstellung gab ich in einer achten Klasse. Diesmal waren fasst alle Stühle besetzt, dennoch waren es nur 17 Schüler. Diese sahen mich zwar freundlich, aber auch mit einer gewissen Erwartung im Blick an. Die Lehrerin hatte mir im vornherein berichtet, dass diese Klasse der Veranstaltung vorher etwas skeptischer gegenüber eingestellt und nicht ganz so begeistert war, wie die erste Klasse. Sie hatten bedenken mich nicht verstehen zu können und nicht genug dabei zu lernen, die Streber! Die Lehrerin war hier auch ein wenig angespannter, übersetzte mehr meiner Ausführungen und bat mich einige Sachverhalte ausführlicher darzustellen. Dennoch lief es ganz gut, ich war sicherer in meinen Schilderungen, ich wusste ja, dass die spannenden Bilder noch kommen würden. Die Schüler in dieser Klasse hörten meinen Ausführungen teilweise gespannt und lächelnd zu, andere gähnten, schliefen, tuschelten, kritzelten auf dem Tisch herum oder spielten mir unbekannte Spiele.

Am Ende wurde ich wieder im Chor verabschiedet. „Thank you teacher“. Zudem stand eine Schülerin auf und dankte mir, dass ich ihnen so viel Wissen vermittelt hätte. Streber, aber sympathische.

Eine Antwort

  1. Ein kleiner Nachtrag. Die Streber haben doch tatsächlich behauptet sie hätten bei meinem kleinen Vortrag viel gelernt und haben nach meinem Comeback als Lehrer verlangt. Möglicherweise gibt es eine Zusatzvorstellung…

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