Kick it like…Lahm

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Bereits seit einiger Zeit spiele ich unregelmäßig mit ein paar Thais in einer Freizeitmannschaft Fußball. Ein Kollege aus dem National Museum Bangkok hatte mir schon länger von seinem Archäologen-Team vorgeschwärmt und mich dann eines Tages mitgeschleppt.

Bevor ich auch nur ein einziges Mal gegen den Ball getreten hatte, wurde mir bereits ein Spitzname verliehen: Verteidiger, deutsch, klein, komische Frisur – ganz klar, für die Jungs war ich Phillip Lahm. Ich denke, es hätte mich auch schlimmer treffen können. Glücklicherweise änderten sie ihre Meinung nicht, nachdem sie in den Genuss meiner „Fußballkünste“ gekommen waren. „We change to Carsten Ramelow“ hätte mich dann doch ein wenig gekränkt.

Gespielt wird auf einem Kunstrasenplatz, nicht unähnlich zu denen, die ich von den Soccerparks in Deutschland her kenne, jedoch mit einem markanten und entscheidendem Unterschied: Das ganze findet draußen, also „Open Air“ statt. Was eventuell aufregend, erfrischend oder gar romantisch klingt, ist bei der Affenhitze in Thailand vielmehr eine reine Zumutung, eine Schinderei sondergleichen. Obgleich die Spiele stets zu später Stunde stattfinden, dauert es keine fünf Minuten und ich keuche und hechel mit purpurroten Kopf und klitschnassen Klamotten über den Platz.

An diesem Abend teilte sich unser Team das Feld mit drei weiteren Mannschaften, mit denen wir eine kleines Turnier ausfochten. Die Spiele dauerten etwa zehn Minuten, was bei den teuflischen klimatischen Vorraussetzungen völlig ausreichte, um mich am Ende eines jeden Matches völlig erschöpft am Rande zusammenbrechen zu lassen. Wenn sich die Atmung wieder einigermaßen normalisiert hatte, so dass Sprechen ohne gleichzeitiges Kotzen möglich war, ergaben sich wunderbare Fußballplaudereien. Hierbei stellte ich voller Verzückung fest, dass die Jungs mit der Bundesliga der neunziger Jahre sozialisiert worden waren und die Helden meiner Jugend – Scholl, Häßler und Littbarski –  ihnen nicht nur ein Begriff waren, vielmehr verehrten sie die germanischen Kicker mit den lustigen Bärten und Frisuren ebenso wie ich.

Einer der Spieler eines anderen Teams hatte offensichtlich einen besonders guten Abend erwischt. Eine Bude nach der anderen netzte er ein. Die sportliche Höchstleistung hatte jedoch einen unschönen Nebeneffekt. Anscheinend verbrauchten seine Beine soviel Blut, dass sein Gehirn zeitweise unterversorgt wurde. So begann er etwa ab Tor fünf damit, seine Erfolgserlebnisse mit einem deutlich zu erkennenden „Hitlergruß“ zu feiern. Wenn das der thailändische Fußballverband mitbekommt – ich habe das Schreiben bereits aufgesetzt – wird der Kerl lebenslang gesperrt.

Mir selbst hingegen wollte lange Zeit kein einziges Tor gelingen. Obschon, aufgrund meiner abgestammten Position als Verteidiger, eher das Verhindern als das Erzielen von Toren zu meinen Kernkompetenzen gehört, war ich an diesem Abend einige Male kurz davor, das Runde ins Eckige zu befördern. Jedoch waren bis kurz vor Schluss lediglich einige Torvorlagen, ein mäßig elegantes Hüft-Eigentor und ein Lattentreffer herausgesprungen. Dann endlich, quasi mit dem Schlusspfiff, die große Chance. Ich nähere mich dem Strafraum von der linken Seite, ein feiner Doppelpass mit einem Mitspieler und schön das Ding im Netz versenkt! Mein Jubel fiel jedoch bescheiden aus. Ich verzichtete auf fragwürdige Posen, bedankte mich artig bei meinem Passgeber und feierte innerlich.

Für meine heiß geliebten Fußballschuhe, die mir immerhin acht Jahre ein treuer Begleiter waren und die sowohl die Uni-Liga in Göttingen als auch den Ü-40-Cup in Marburg erlebten hatten, war dies wohl das letzte Tor. Sie bestehen inzwischen leider mehr aus Loch als aus Schuh. Sie mögen in Frieden ruhen.

Nach den Spielen wurden noch delikate Nudeln mit den Kollegen genossen, zwei Dosen Chang-Bier als Betthupferl genehmigt und dann ab ins Land der Träume, wo meine Heldentaten in einer Dauerschleife liefen.