Heiraten auf thailändisch

Neulich wurde mir die große Ehre zu teil meiner ersten thailändischen Hochzeit beizuwohnen. Nein Mutter, keine Angst es war nicht meine eigene! Vielmehr hatte mich eine herzallerliebste Kollegin aus meiner Praktikumszeit beim National Museum Bangkok zur Hochzeit ihrer Tochter eingeladen. Hierbei handelt es sich übrigens um dieselbe Kollegin, der ich einst meinen ersten und bisher einzigen Auftritt als „Model“ zu verdanken hatte. Obgleich ich mich innerlich darauf vorbereitete, dass sie mich wieder für ähnliche skurrile Späße eingeplant hatte, sagte ich selbstverständlich zu. Glücklicherweise erwiesen sich meine düsteren Vorahnungen als völlig unbegründet. Weder musste ich als „Model“ über irgendwelche Bühnen stolpern noch aus Hochzeitstorten springen und „surprise“ rufen. Ich durfte als stinknormaler Gast dieses gesellschaftliche Schauspiel genießen, fortwährend futtern und mich am fantastischen Whiskey berauschen.

Wie bei vielen thailändischen Hochzeiten üblich, enthielt die Einladung einen diskreten Hinweis auf die gewünschte Gardarobe. In diesem Fall waren grau, weiß und grün als die Farben des Abends auserkoren worden. Ich hatte mich für ein legeres dunkelgrünes Hemd mit chinesischem Kragen entschieden, welches ich Tags zuvor auf dem wunderbaren kleinen Markt neben dem Central Pin Klao erstanden hatte. Dieses Hemd erfüllte einerseits die farblichen Vorraussetzungen und passte andererseits hervorragend zu meinem mitgebrachten hellgrauen Anzug. Dass das Hemd aufgrund meines noch nicht überwundenen Winterspecks am Bauch recht knapp saß und ich ein gewisses „Weißwurstgefühl“ nicht leugnen konnte, war von nachrangiger Bedeutung. Hauptsache die farblichen Normen wurden erfüllt!

Die Hochzeit fand in einem Restaurant statt, das sich augenscheinlich auf Veranstaltungen dieser Art spezialisiert hat. So bot der lange schmale Saal mit seinen zwei Bühnen, die ihrerseits mit Nebel- und Seifenblasenmaschinen sowie monströsen Karaokeanlagen ausgerüstet waren, beste Voraussetzungen für eine ordentliche Sause. Zwischen den Bühnen war ein langer roter Teppich ausgelegt, auf dem später Braut und Bräutigam ausgiebig entlang stolzieren sollten. Zu beiden Seiten des Teppichs standen kleine runde Tische, um welche die Gäste platziert waren. Die Dinger sollten sich als deutlich zu klein erweisen, angesichts der Massen an Köstlichkeiten, mit denen sie später bedeckt wurden. Aber gemach bitte, zum Essen komme ich später.

Zur Begrüßung mussten alle Gäste eine der Bühnen besteigen und sich dort mit dem Hochzeitspaar ablichten lassen. Wer jetzt denken mag: Na und das dauert zwei Minuten –  knips knips und ran ans Buffet – der kennt die Thailänder schlecht. Das richtige Foto, in der gewünschten Pose, abgerundet mit einem zuckersüßen Lächeln auf dem Lippen, ist von enormer Wichtigkeit und bedarf bester Vor- und Nachbereitung. Ich kam mir bei dieser Prozedur wahnsinnig unbeholfen und fehl am Platze vor und wünschte mir, der Quatsch möge bald vorüber sein.

Als endlich alle Beteiligten mit den Resultaten der Bilder einigermaßen zufrieden waren, wurde ich an einen der Tische geführt. Kaum saß ich dort, wurde damit begonnen Köstlichkeiten verschiedenster Art aufzufahren. Hierbei wurden nach und nach verschiedene Gerichte serviert, jeweils eine große Portion für alle, die dann von den Anwesenden brüder- und schwesterlich geteilt wurde. Das war auch ganz gut so, denn auf diese Weise konnte ich immer wieder nachfragen, was für eine Schweinerei denn nun wieder unseren Tisch erreicht hatte. Insgesamt mögen es gut und gerne zwanzig verschiedene Gänge gewesen sein, die über den Abend verteilt ihren Weg auf unseren Tisch fanden.

Ich fühle mich außerstande alle Speisen hier aufzuführen und möchte auch nicht den Neid und den Hunger der Leser und Leserinnen ins unerlässlich steigern. Erwähnt werden muss jedoch auf jeden Fall das köstliche Haifischflossensüppchen ebenso wie der „chinesische Schweinebraten“, der so zart war, dass er auf der Zunge keine drei Sekunden bestand hatte, so schnell war er zerschmolzen. Dazu wurde ein spezielles Brot angeboten, das an den guten alten Marmorkuchen meiner Mutter erinnerte. Begleitend wurde ein für thailändische Verhältnisse sehr guter Rotwein kredenzt, der mir sehr mundete, obwohl er mit Hilfe eines Champagnerkübels eiskalt gekühlt wurde. Zusätzlich wurde hervorragender thailändischer Whiskey auf Eis serviert, mit dessen Hilfe ich mich traute mit den anderen Gästen zu plaudern und zu scherzen. Danke, alter Freund!

Als ich gerade ansatzweise begonnen hatte die Genialität der hier servierten Speisen zu begreifen, erlosch plötzlich das Licht und das Rahmenprogramm begann. Zwei etwas zu betont laute und lustige Quasselstrippen begrüßten die Gäste, machten ein paar Scherze und tanzten ein wenig. Anschließend wurde ein geschmackvoller und zugleich rührender Film gezeigt, der die Liebesgeschichte der beiden Hauptpersonen darstellte. Als die Kinderbilder des Hochzeitspaars erschienen, ertönten deutlich weniger oohhs und aahhs, als ich es erwartet hatte. Die Deutschen hätten an dieser Stelle gekreischt voller Verzückung.

Anschließend folgte das worauf alle Anwesenden gewartet hatten, der Einzug des Hochzeitspaares. Betont feierlich und gemächlich schlichen sie über den Teppich, während ich das dritte Glas Whiskey leerte. Auf der Bühne angekommen hielten beide nacheinander eine Kleine Rede, in der sie etwas über Liebe im Allgemeinen und ihre eigene Beziehung im Besonderen schwadronierten. Da mein thailändisch bei weitem noch nicht ausreicht, einem solchen Vortrag inhaltlich folgen zu können und ich nur gefühlt jedes siebzehnte Wort verstand, sehnte ich das Ende der Reden herbei, um mich wieder voll auf das Catering konzentrieren zu können

Gegen Ende des Bühnenprogramms schnitten die frisch vermählten die Hochzeitstorte an und verteilten an ihre Gäste massenhaft Cupcakes. Dieses süße und klebrige Gebäck hat anscheinend weltweit Einzug auf Hochzeitsfeiern gefunden. Wobei ich wieder einmal feststellen musste, dass die Dinger um ein vielfaches verlockender aussehen, als sie dann letztendlich schmecken. Zudem versaute mir diese Backware meine Gardarobe, als sie mir mitten aufs Jackett plumpste. Das quietschgelb der Lebensmittelfarbe vermischte sich mit dem grau meines Anzuges zu einem dreckigen grün. Somit erfüllte ich zwar immer noch die Farben des Abends, fühlte mich aber sehr eingesaut.

Die Feier endete überraschend früh. Um kurz vor 11 hatten nahezu alle Gäste das Fest bereits verlassen und die fleißigen Angestellten des Restaurants begannen bereits den Hochzeitsschmuck zu entfernen und den Saal für die nächste Veranstaltung vorzubereiten. Lediglich eine kleine Gruppe wackerer Trinker hatte sich um einen kleinen Tisch versammelt und bildete den „harten Kern“ der Feiergemeinde. Dass es sich hierbei ausgerechnet um die Musiker handelte, die den Abend mit recht angenehmer aber etwas beliebiger Gitarrenmusik begleitet hatten, klingt wie ein stumpfes Klischee, ist aber war.

Zu dieser Gruppe gesellte ich mich ein wenig dazu. Zum einen da sie noch über eine volle Flasche Whiskey verfügten und bereit waren diesen mit mir zu teilen. Zum anderen weil mir ihr Outfit so gut gefiel. Sie hatten offensichtlich keine Einladungskarten mit Vorschriften zur Gardarobe erhalten oder diese bewusst subversiv ignoriert. Einer von ihnen war besonders deutlich als „Rocker“ zu erkennen. So schmückte seine Jeansjacke sowohl ein Harley-Davidson Schriftzug als auch ein Sheriffstern. Seine wilde Mähne wurde durch eine Baskenmütze gezähmt, die er weit in die Stirn gezogen hatte. Ein köstlicher Anblick und wunderbarer Kontrast zum sonstigen Kitsch dieser Veranstaltung. Als er hörte, dass ich aus Deutschland käme, schwärmte er mir von seinem Mercedes vor, den er sich erst kürzlich zugelegt habe. Als ich ihm, der Whiskey sprach wohl aus mir, erklärte, dass er in meinen Augen nicht unbedingt dem Typus eines Mercedesfahrers entsprach, kippte die Stimmung etwas. Der Rocker war merklich verstimmt und ich beschloss das Gelage zu verlassen. Der Typ war schließlich ein echter Sheriff und mit so einem möchte man sich wirklich nicht anlegen.

Whitening!?


„Whitening“! Dieser Begriff prankt auf unzähligen Hygiene- und Pflegeprodukten, die es in thailändischen Supermärkten so zu kaufen gibt. Egal ob Deo, Shampoo, Dusch- oder Gesichtscreme, überall stößt man auf dieses Wort. Die mit diesem „Gütesiegel“ verliehenen Produkte versprechen ihren Kunden nicht nur einen angenehmen Duft und glänzendes Haar, sondern vor allem, dass sie der Kundenhaut eine schöne weiße Farbe verleihen oder erhalten.

Weiße Haut ist in der thailändischen Gesellschaft, wie in vielen anderen asiatischen Gesellschaften auch, ein Symbol für Schönheit und Reichtum. Was für durchschnittliche Mitteleuropäer eher bleich und ungesund erscheint, ist für Thais ein erstrebenswertes Ziel. Weiße Haut ist ein außerordentlich begehrtes Schönheitsideal.

Die Verbreitung dieses Ideals beschränkt sich aber nicht nur auf die Werbung. Schaltet man den Fernseher ein, schaut man sich thailändische Kinofilme an oder betrachtet man Zeitungen und Zeitschriften: Überall lächeln einem unnatürlich weiße Thais entgegen. Deren Hautfarbe ist so strahlend, so kalkweiß, wie man sie im Alltag niemals zu sehen bekommt. Auf diese Weise präsentieren Webung und Medien den Thais ein Ideal, welchem sie kaum ensprechen können, egal wie viel „Whitening-Produkte“ sie konsumieren.

Es liegt mir aber fern mit meinem erhoben WEIßEN Finger auf die Thais zu zeigen und ihr Verhalten oder ihr Schönheitsideal zu sehr zu kritisieren. Sicher es irritiert mich ein wenig, wenn sie beim Auftauchen der ersten Sonnenstrahlen nur mit Sonnenschirmen über die Straßen laufen oder verzweifelt versuchen ihr Gesicht mit einer Tasche oder ihren Händen zu schützen.

Doch sind wir Mitteleuropäer besser? Keine Spur! Nur haben wir ein vollkommen anderes Schönheitsideal, hecheln diesem aber änlich widerspruchslos hinterher. Verzweifelt versuchen wir unsere von Natur aus käsig-weiße Haut bräuner zu bekommen. Dafür ist uns beinahe jedes Mittel recht. Dafür legen wir uns ungeschützt stundenlang in die prallste Sonne, schmieren uns zweifelhafte Bräunungscreme ins Gesicht und legen uns unter merkwürdige Maschinen, die uns künstliche Sonne versprechen.

Anscheinend ist der Mensch nie mit sich zufrieden, egal welche Farbe seine Haut hat.

Der Herr Felix hat zugenommen!

Als ich das National Museum ein halbes Jahr nachdem ich dort ein Praktikum absolviert hatte noch einmal besuchte, war so ziemlich der erste Satz den ich von einer Kollegin zu hören bekam: „Khun Felix uan kuehn“. Das bedeutet auf deutsch in etwa so viel wie: Der Herr Felix hat zugenommen! Hinzu kam, dass sie, um ihre Worte anschaulicher zu gestalten, mit ihren Händen eine Pantomime formte, die entfernt an ein Fass erinnerte und wohl mich und meinen Körper darstellen sollte.

Die Worte Frechheit, Unverschämtheit und die kreative Wortschöpfung meiner Großmutter „Ausverschämtheit“ wanderten durch meinen Kopf. Sicherlich, sie hatte recht. Ich hatte mir in den letzten Monaten, um den deutschen Winter zu überstehen, ein gewisses Polster an Fettreserven rund um die Hüfte zugelegt. Nur, war das wirklich so offensichtlich? Und wenn das der Fall war, hätte sie nicht zumindest erst einmal hallo, schön dass du da bist sagen können? Die EHEMALIG sehr nette Kollegin erklärte mir, dass ich ihr so aber viel besser gefiele und das ich nun nun viel gesünder aussähe.

Als ich bei meinen nächsten Aufenthalten in Thailand aber noch weitaus „gesünder“ aussah, wiederholte sich dieses Schauspiel vielmals. Wann immer ich Bekannte und Freunde traf, waren meine Figur und mein sich horizontal erweiternder Bauch das erste, was den Thailändern auffiel und was sie ansprachen. Was ich den so mache und wie es mir ginge wurde erst thematisiert, nachdem die Sache mit meinem Gewicht geklärt worden war. Sie meinten es nicht böse, waren dabei niemals gehässig und verfolgten keine schlechte Absicht. Es fiel ihnen nur auf und deshalb sprachen sie es an.

Beim ersten mal war ich aufgrund dieser Offenheit noch ein wenig schockiert. Später merkte ich aber, dass dieses Verhalten in Thailand offenbar völlig normal ist und, dass flapsige Bemerkungen über das verändere Körpervolumen nicht viel mehr als Begrüssungsfloskeln sind. Je mehr ich darüber nachdachte und je öfter ich damit konfrontiert wurde, gewöhnte ich mich daran. Letztendlich ist dieses Verhalten auch nicht wirklich schlechter als vordergründig zu tun, als habe man nichts bemerkt und hinter dem Rücken einer Person dann zu erwähnen wie „fett“ sie doch geworden sei.

Wirklich  unfair ist allerdings, dass abgenommenes nicht ganz so schnell und prominent bemerkt wird wie zugenommenes Gewicht. Wenn schon Offenheit, dann bitte immer.