Als ich neulich an der Silapakorn Universität in Nakhon Pathom verweilte, ein wenig für meine Masterarbeit herumlas und hierbei etwas Zeit vertrödelte, hatte ich plötzlich eine unangenehme Begegnung mit einem Drachen. Ja meine Damen und Herren, Sie haben richtig gelesen, mit einem Drachen. Und dies ist keine unhöfliche Umschreibung für eine pampige Dozentin, die sich über mein klingelndes Handy aufgeregt hätte, vielmehr spreche ich von einem echten, einem lebendigen, ja einem fürchterlichen Drachen.
Das Monster lauerte mir auf meinem Heimweg auf. Ich hatte bereits einen großen Teil des Parks durchquert, der Teil des Universitätsgeländes ist, und war mit meinen Gedanken bereits beim Abendessen. Gegenüber der Uni gibt es ein paar winzige Restaurants, die sich auf Studenten als Kunden spezialisiert haben. Meistens verfügen diese Läden nur über vier bis sechs Tische und sind recht karg eingerichtet, das Essen dort ist aber fantastisch. Bei dem Gedanken an die köstlichen Saté Spieße, die saftigen Rotis und den feurig-scharfen, aber brillanten Apfel-Rindfleisch Salat, beschleunigten meine Füße von ganz alleine ihr Tempo.
Ich war also völlig damit beschäftigt mir das kommende Festmahl vorzustellen und sah daher das Unheil nicht kommen. Wie aus dem Nichts tauchte der Drache mit einem Male aus dem Gebüsch zu meiner Rechten auf und raste in einem waghalsigen Tempo über den kleinen Weg in Richtung des Sees zu meiner Linken. Es ging so schnell, dass ich kaum etwas erkennen konnte. Mir waren lediglich der etwas längliche, krokodilförmige Körper und der lange, schuppige Schwanz in Erinnerung geblieben. Zudem meinte ich eine wild zuckende Zunge erkannt zu haben. Ein echter Drache eben. Darüber hinaus hatte mich das Untier ganz eindeutig am Bein gestreift, ja um ein Haar hätte es sich in meiner Wade festgebissen. Dies zumindest bildete ich mir in dieser Schrecksekunde ein.
Ein lautes „ach du Scheiße“ konnte ich mir leider nicht verkneifen, so erschrocken war ich von dieser Begegnung. Blöderweise kam mir genau in diesem Moment ein Thai entgegen, der mich irritiert musterte. Ich nickte mit dem Kopf in die Richtung, in welcher der Drache verschwunden war und versuchte ein komplizenhaftes Lächeln anzubringen. Es sollte ausdrücken: Du und ich, wir beide haben gerade was ganz schön unheimliches gesehen, nicht wahr? Diese Gestik und Mimik war ihm anscheinend völlig fremd, denn er ging wortlos und mit deutlich erhöhter Schrittgeschwindigkeit an dem durchgeknalltem „Farang“, also mir, vorüber. Den Drachen musste er auch gesehen haben, doch behandelte er diese Begegnung, als hätten wir gerade eine verdammte Taube in der Innenstadt von Wuppertal gesehen. Der Drache schien ihm furchtbar banal.
Ich hingegen war der Meinung, dass das Geheimnis des Unidrachens unbedingt aufgeklärt werden musste. Ich begab mich also auf eine todesmutige Expedition abseits des sicheren Weges und folgte dem Monster ein wenig in das Dickicht am Ufer des Sees. Beim genaueren Betrachteten des Drachen entpuppte sich das vermeintliche feuerspeiende Ungetüm als gewöhnlicher Waran, wie er in vielen Tümpeln, Seen und Flüssen Thailands vorkommt. Zudem war dies offensichtlich ein Jungtier, noch nicht ausgewachsen und höchstens einen Meter lang. Ich hatte die Viecher schon einige Male gesehen, zum Beispiel im Lumpini Park in Bangkok. Es war mir jetzt ein wenig peinlich, dass dieser kleine Kerl mir so einen großen Schrecken hatte einjagen können. Ihm wiederum schien sein hysterischer Auftritt ebenfalls unangenehm zu sein. Denn nun war er plötzlich sehr aufgeschlossen und stellte sich mir, wie zur Versöhnung, für eine kleine Fotosession zur Verfügung.