„Whitening“! Dieser Begriff prankt auf unzähligen Hygiene- und Pflegeprodukten, die es in thailändischen Supermärkten so zu kaufen gibt. Egal ob Deo, Shampoo, Dusch- oder Gesichtscreme, überall stößt man auf dieses Wort. Die mit diesem „Gütesiegel“ verliehenen Produkte versprechen ihren Kunden nicht nur einen angenehmen Duft und glänzendes Haar, sondern vor allem, dass sie der Kundenhaut eine schöne weiße Farbe verleihen oder erhalten.
Weiße Haut ist in der thailändischen Gesellschaft, wie in vielen anderen asiatischen Gesellschaften auch, ein Symbol für Schönheit und Reichtum. Was für durchschnittliche Mitteleuropäer eher bleich und ungesund erscheint, ist für Thais ein erstrebenswertes Ziel. Weiße Haut ist ein außerordentlich begehrtes Schönheitsideal.
Die Verbreitung dieses Ideals beschränkt sich aber nicht nur auf die Werbung. Schaltet man den Fernseher ein, schaut man sich thailändische Kinofilme an oder betrachtet man Zeitungen und Zeitschriften: Überall lächeln einem unnatürlich weiße Thais entgegen. Deren Hautfarbe ist so strahlend, so kalkweiß, wie man sie im Alltag niemals zu sehen bekommt. Auf diese Weise präsentieren Webung und Medien den Thais ein Ideal, welchem sie kaum ensprechen können, egal wie viel „Whitening-Produkte“ sie konsumieren.
Es liegt mir aber fern mit meinem erhoben WEIßEN Finger auf die Thais zu zeigen und ihr Verhalten oder ihr Schönheitsideal zu sehr zu kritisieren. Sicher es irritiert mich ein wenig, wenn sie beim Auftauchen der ersten Sonnenstrahlen nur mit Sonnenschirmen über die Straßen laufen oder verzweifelt versuchen ihr Gesicht mit einer Tasche oder ihren Händen zu schützen.
Doch sind wir Mitteleuropäer besser? Keine Spur! Nur haben wir ein vollkommen anderes Schönheitsideal, hecheln diesem aber änlich widerspruchslos hinterher. Verzweifelt versuchen wir unsere von Natur aus käsig-weiße Haut bräuner zu bekommen. Dafür ist uns beinahe jedes Mittel recht. Dafür legen wir uns ungeschützt stundenlang in die prallste Sonne, schmieren uns zweifelhafte Bräunungscreme ins Gesicht und legen uns unter merkwürdige Maschinen, die uns künstliche Sonne versprechen.
Anscheinend ist der Mensch nie mit sich zufrieden, egal welche Farbe seine Haut hat.
Ich habe mich gefragt ob das auch ein wenig mit dem Grad der Industrialisierung oder Umwandlung zur Dienstleistungsgesellschaft zu tun hat. Je weniger Menschen auf dem Feld arbeiten müssen (tendenziell eher „niedrige“ Jobs) desto weniger klar ausgeprägt ist auch der (umgekehrte) Zusammenhang zwischen gebräunterer Haut und Wohlstand. Wenn ich mich recht erinnere war ja hier bei „uns“ adlige Blässe auch mal sehr in Mode. Mittlerweile hocken aber Deppen aller Stände in Büros und keiner kriegt mehr Sonne ab. Was sagt der Historiker?
Warum es dann gerade „die Asis“ in den Toaster zieht, ist mir auch schleierhaft.
Vielen Dank für diesen geistreichen Kommentar und die spannende Frage. Wenn ich dich richtig verstehe meinst du, dass dieses Phänomen in Thailand auch so stark ausgeprägt ist, weil hier noch ein relativ großer Teil der Bevölkerung an der „frischen Luft“ beschäftigt ist und dadurch die blasse Haut noch eher einer besser verdienten Schicht zuzuordnen ist, als in einer Dienstleistungsgesellschaft. Ich muss gestehen, dass ich da noch nicht drüber nachgedacht habe. Es klingt für mich aber sehr plausibel. Ähnlich wie in Deutschland waren es auch in die Thailand die feinen Damen des Adels, die den ursprünglichen Bezugspunkt dargestellt und die blasse Haut populär gemacht haben. Sie waren, anders als die Menschen auf den Feldern, in den königlichen Palästen vor der Sonne geschützt und konnten so durch ihre „vornehme Blässe“ aus der Masse hervorstechen. In der aktuellen thailändischen Gesellschaft lassen sich jedoch auch Züge einer modernen Dienstleistungsgesellschaft erkennen. Es gibt blasse Fabrikarbeiter, zunehmend dicke Computerspielende Kinder und sich dem Trend der weißen Haut bewusst widersetzende Akademiker.
Wie war das denn in Indonesien? Ich kann mich nicht mehr genau erinnern und bin auch nicht so viel rumgekommen wie du.
Sehr spannend finde ich auch die Frage, warum sich das Schönheitsideal in Deutschland so fundamental geändert hat. Waren es vielleicht die ersten Italienurlauber, die gut gebräunt aus dem Sommerurlaub zurückgekommen, die daheim gebliebenen Fabrikarbeiter neidisch gemacht haben?
Meine Vermutung wäre auch, dass es eine Weile dauert bis sich solche Trends relativieren oder sogar umkehren. In Indonesien und auch in Vietnam habe ich genau die selben Erfahrungen gemacht wie du: „Oh, you are so white…“ und die ewige Suche nach regulären Hygieneartikeln.
Die These zum Urlaub in der Sonne, der eben auch von oben her populär wurde find ich plausibel. Sind wir nun schon wieder im entgegengesetzten Teil des Zyklus? Wir sollten eine Veröffentlichung zum Thema anstreben.
Einer Veröffentlichung zu diesem Thema wäre ich durchaus aufgeschlossen…
Ich finde dieses Phänomen offenbart auch vieles über die Wahrnehmung des Anderen und des Ungewohntem. Für Europäer scheint es merkwürdig wenn Thailänder bei dem kleinsten Anschein von Sonnenschein in den Schatten wechseln und ihren Sonnenschirm ausholen oder im Boot konsequent die Plätze frei lassen, die in der Sonne liegen könnten. Andererseits wurde mir berichtet, dass die Thais in Europa genauso ins staunen geraten, wenn sich die Menschen mitten in der Öffentlichkeit, halbnackt auf den Rasen legen, um ihre Körper bis zur Verbrennung grillen zu lassen.